„Für verlässliche Supply Chains ist Piräus noch schwierig“

Für DB Schenker bleibt die Qualität der Hinterlandverkehre auf der Schiene das entscheidende Kriterium bei der Erstellung von Logistikketten von Ostasien nach Zentraleuropa und retour. Dabei schlägt das Pendel (noch) klar zugunsten der Nord-, West- und Südhäfen aus. Streckenausbauten von/nach Piräus könnten das ändern.

„Für verlässliche Supply Chains ist Piräus noch schwierig“ Bild: Koper besitzt bei DB Schenker den Ruf als leistungsfähiger und zuverlässiger Seehafen in der nördlichen Adria.

WIEN. Vernünftige Seefracht-Spediteure denken und handeln in Rundläufen. Sie bündeln die FCL/LCL-Sendungen ihrer Kunden in Systemverkehren mit hohen Auslastungswerten. Davon profitieren alle Beteiligten in den Logistikketten. Jedoch klafft hier mitunter eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis. Schließlich gibt es zahlreiche Länder mit Unpaarigkeiten bei den Ein- und Ausfuhren. In Südosteuropa und am Westbalkan kommt dieses Phänomen besonders stark zum Vorschein. Hier stehen in bestimmten Gebieten sieben Importsendungen drei Exportfrachten gegenüber. In solchen Fällen besteht die Kunst der Logistikdienstleister in der Bereitstellung von Servicekonzepten zur Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen.

Bernd Labugger, seit Jahresbeginn Executive Vice President Air Freight und Ocean Freight bei DB Schenker im Cluster Österreich und Südosteuropa, beschäftigt sich fast täglich mit der Lösung von derartigen Szenarien. „In Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kroatien und Ungarn kommen bis zu 90 Prozent der Importe aus China, Taiwan, Japan und geringfügig aus Indien“, entnimmt der Vollblutspediteur seinen Aufzeichnungen. In diesen Papieren stehen in Österreich zwei Exportsendungen einer Importfracht gegenüber, die zu 70 Prozent aus Ostasien stammt. Etwa 70 Prozent der containerisierten Seegüter nutzt die Leitungswege über die Nordhäfen. Koper, Triest und Rijeka besitzen für die Bundesländer Kärnten und Steiermark Relevanz. Der Rest des Bundesgebiets orientiert sich noch sehr stark an Hamburg, Bremerhaven, fallweise Wilhelmshaven, Rotterdam und Antwerpen.

Bleiben noch die Seehäfen am Schwarzen Meer sowie die seit der Privatisierung stärker auf den Plan tretenden „Hotspots“ in Thessaloniki und Piräus. Ihre Entwicklung verfolgt Bernd Labugger mit Interesse, wenngleich er sich nicht vorstellen kann, „dass die Griechenland-Variante in absehbarer Zeit eine besondere Rolle für Österreich und die zentraleuropäischen Nachbarländer spielt“. Zwar funktionierten die Abläufe in diesen Ports einwandfrei, betont der DB Schenker-Manager. Noch dazu bestehe bei der Cosco Group offenbar nach wie vor eine große Bereitschaft für den weiteren Ausbau der Hafenanlagen in Piräus. Jedoch stehe und falle in der Seefrachtlogistik mit Ausgangs- oder Zielorten in den Ländern in Zentral-, Ost- und Südosteuropa fast alles mit der Qualität der Zugsysteme im Hinterlandverkehr.

Nichts liegt Bernd Labugger ferner, als diesbezüglich für einen Seehafen Partei zu ergreifen. Als Spediteur sieht er sich in erster Linie der bestmöglichen Erfüllung der Kundenwünsche verpflichtet. Je neutraler ein Anbieter dabei vorgeht, umso besser. Jedoch wollen die Logistikverantwortlichen in der verladenden Wirtschaft genau wissen, was im Bereich der Seefrachten von und nach Zentraleuropa Sache ist. Da hat sich beim DB Schenker-Manager schon der Eindruck gefestigt, dass es in den Nord- sowie Südhäfen noch genügend Potenzial zur Bewältigung von Mengensteigerungen gibt und auch die vorhandenen Zugsysteme einwandfrei funktionieren. Deren Angebot hält er vor dem Hintergrund der hohen Auslastungswerte speziell im Export ab Österreich für weiter ausbaufähig.

Im Cluster Österreich und Südosteuropa von DB Schenker laufen ständig Prüfungen, ob und inwieweit sich Piräus für die verstärkte Nutzung als Import- und Exporthafen für Ungarn und Österreich eignet. Dabei kristallisiert sich regelmäßig die mangelhafte Qualität der Hinterlandverkehre auf der Schiene als „Handicap“ heraus. „Es kommt immer wieder zu Streckensperren oder zu Problemen mit den Bahnbediensteten in Nord-Mazedonien und Serbien. Das stellt einen Widerspruch zu der steigenden Zahl von Kunden mit Bedarf an zuverlässigen Logistikketten auch auf den Langstrecken von Ostasien nach Zentraleuropa und retour dar“, bemerkt Bernd Labugger im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Derartige Konzepte seien über die Häfen am Schwarzen Meer beziehungsweise in Griechenland derzeit kaum realisierbar.

Was den großen Seefrachtspeditionen die Arbeit zusätzlich erschwert, sind die Strategien bestimmter Containerreedereien. Sie entwickeln sich zusehends zu Mitbewerbern der Logistikdienstleister, was zwar den Markt belebt aber auch zu distanzierteren Verhältnissen zwischen den einzelnen Partnerunternehmen in den globalen Logistikketten führen kann. Experten glauben, diese Diskrepanz könnte sich durch den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest verstärken. Zumindest bis zum Abschluss dieser Großinvestition mit einer maßgeblichen chinesischen Beteiligung bleibt Bernd Labugger seinem Standpunkt treu, wonach sich die Transportabwicklung für Container auf dem Seeweg von Asien nach Zentraleuropa oder retour am schnellsten und günstigsten über Hamburg, Rotterdam, Koper und Triest darstellen lässt.

JOACHIM HORVATH

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