„Der Hafen Triest braucht mehr Dynamik und Innovation“

Für Franz Braunsberger befindet sich der Hafen Triest in einer schwierigen Situation. In den letzten Jahren sind beträchtliche Mengen des österreichischen Seefrachtenmarktes nach Koper abgewandert. Jetzt steht mit Piräus ein weiterer Mitbewerber auf der Türmatte. Es ist höchste Zeit, marktkonforme Anpassungen voranzutreiben.

„Der Hafen Triest braucht  mehr Dynamik und Innovation“ Bild: Österreichs Spediteure vermissen in Triest die Beweglichkeit und Flexibilität der anderen Häfen.

WIEN. Ein Hafen lebt von der Gegenwart und von den Zukunftsper-spektiven. Daher mag das Jubiläum „300 Jahre Freihafen Triest“ zwar ein Anlass zum Feiern sein. Der entsprechende offizielle Festakt geht im Mai 2019 im Beisein von prominenten Vertretern aus Wirtschaft und Politik über die Bühne. Auch zahlreiche österreichische Gäste werden dem Event beiwohnen. Allerdings kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Großteil der Seefrachten mit Ladestellen oder Zielorten in der Alpenrepublik am Hafen Triest vorbeiläuft. Im Segment Container liegen Hamburg, Bremerhaven und Koper dem italienischen Mitbewerber deutlich voraus – und das dürfte wohl weiter so bleiben.

Noch dazu taucht mit Piräus ein neuer starker Akteur am Horizont auf. Die chinesische Cosco Shipping Holding hat in den letzten Jahren erhebliche Beträge in Maßnahmen zur Modernisierung und Erweiterung des griechischen Hafens investiert. Es gibt bereits erste österreichische Großverlader, die von dieser Option Gebrauch machen. Dabei gestaltet sich die Abwicklung der Vor- und Nachläufe auf der Schiene vom Zeitaufwand her betrachtet noch als zu langsam. Doch an der Beschleunigung der Bahnverkehre wird mit Hochdruck gearbeitet. Daher rechnen unabhängige Marktbeobachter mittelfristig mit Leistungs- und Mengensteigerungen auf der Piräus-Achse.

In Anbetracht dieser Tatsachen fällt es Franz Braunsberger schwer, den Hafen Triest isoliert zu betrachten. Das kann er sich weder in seiner beruflichen Funktion als Geschäftsführer der Kühne + Nagel GesmbH noch als Mitglied im Präsidium des Zentralverbandes Spedition & Logistik (ZV) mit Zuständigkeit für das Ressort Seefracht leisten. Zwar versteht es sich für ihn von selbst, dass die Hauptaufgabe der Logistikdienstleister in der Entwicklung, Umsetzung und Betreuung der stets besten Transportlösungen für die Kunden besteht. Nur das macht die verschiedenen Anbieter für die verladende Wirtschaft unverzichtbar. Jedoch setzt das die ständige kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Gegebenheiten und die stete Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten voraus.

Wer sich mit dem KN-Manager über das Thema Seefracht unterhält, gewinnt rasch einen Eindruck von der Komplexität und Vielschichtigkeit der Materie. Dabei sind die Verschiffungen als solche nur ein Teilsegment in der von vielen anderen Faktoren gekennzeichneten Logistikkette. Sie entfalten nur dann ihre volle Leistungsfähigkeit, wenn die Vor- und Nachläufe im Seehafenhinterlandverkehr in gut ausbalancierte Systeme eingebettet sind, das Leercontainermanagement reibungslos funktioniert und in der Gesamtbetrachtung schnelle Abläufe gewährleistet sind. Dabei liegen die Häfen mit einer großen Bandbreite an Zugsystemen und mit vielfältigen Fahrplanschemen im Vorteil.

„Über die Nord- und Westhäfen erreicht die verladende Wirtschaft von Österreich ausgehend die ganze Welt. In den Südhäfen beschränkt sich das Angebot auf die Fahrtgebiete Mittelmeer, Schwarzes Meer, Mittlerer Osten und Ostasien“, reflektiert Franz Braunsberger im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Dem gelernten Spediteur, der seit 20 Jahren für Kühne + Nagel arbeitet und seit 2010 die Position als Geschäftsführer der österreichischen Landesgesellschaft bekleidet, sind grundsätzlich alle Seehäfen gleich lieb und wert. Er argumentiert aber auch nüchtern und klar, so wie man das von einem Vertreter der weltweit führenden Spedition im Segment Seefracht und Mitglied im ZV-Präsidium erwarten kann.

„Österreich Spediteure werden den Hafen Triest in ihren Transportkonzepten berücksichtigen, sofern sich das für sie lohnt“, ist Franz Braunsberger überzeugt. In den letzten Jahren war das weit seltener der Fall, als sich die Unternehmen der Triester Hafengemeinschaft das wünschen. Stattdessen verzeichnete der Hafen Koper in Slowenien ein markantes Wachstum.

Franz Braunsberger kennt aus eigener Erfahrung und aus den Erzählungen seiner Branchenkollegen die Aufgeschlossenheit der Verantwortlichen und operativen Stäbe im Hafen Koper für diverse Projekte. Hier ließen sich bei Bedarf auch kurzfristig neue Konzepte realisieren, lautet der allgemeine Tenor. Hingegen hätten weder Triest noch der Hafen Rijeka in den letzten Jahren mit Beweglichkeit und Innovationen geglänzt. Daher hat man im Kreis der österreichischen Seefrachtspeditionen den Eindruck, dass der Erfolg von Koper auch in den Schwächen der Mitbewerber begründet liegt. Eine plötzliche Trendwende zugunsten von Triest kann sich die Branche schwer vorstellen, es sei denn die Logistiksysteme via Slowenien bekommen ein massives Kapazitätsproblem.

Auch eine massive Verlagerung von Ladungsströmen aus den Nord- und Westhäfen in die Adria liegt für Franz Braunsberger in weiter Ferne. Dazu seien die Logistikketten über Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam und Antwerpen viel zu gut eingespielt, argumentiert er. Daran geknüpft ist die Frage, warum Importeure oder Exporteure ihre Prozesse adaptieren sollten, solange die eingespielten Abläufe funktionieren. Davon profitiert letztendlich auch der Hafen Koper, dem die Mehrzahl der österreichischen Seefrachtspeditionen effiziente Umschlagdienste, einfache Zollabfertigungen, die bereits erwähnten gut ausgebauten Verbindungen in das zentraleuropäische Hinterland und eine rasche Reaktionsfähigkeit bescheinigt.

Hingegen vermisst die heimische Logistikbranche in Triest ein Klima, geprägt von Dynamik und Innovation. Aus der Sicht der ZV-Mitglieder ist in dem nordostitalienischen Hafen noch vieles zu langsam, beschwerlich und mit einer erheblichen Bürokratie belastet. Das beeinträchtige die Realisierung der schon öfters angekündigten Veränderungen, bemerkt Franz Braunsberger. Den Gewinn von zusätzlichen österreichischen Containerströmen hält er nur zulasten von Koper für möglich, „wobei man die Entwicklung von Piräus nicht aus den Augen verlieren darf“. Prompt umsetzen ließe sich das nur mit einer aggressiven Preispolitik und beschleunigten Prozessen, ohne dass dabei die Servicequalität Einbußen erleidet.

JOACHIM HORVATH

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