LUSTENAU. Speditionen leben von der Verdichtung von Ladungsströmen. So ziemlich jeder Anbieter in dieser Branche in Österreich verschafft seinen Kunden und Geschäftspartnern mit der Konsolidierung von Stückgütern und Teilpartien Wettbewerbsvorteile. Nur optimal ausgelastete Transportmittel und Logistikterminals ermöglichen den Unternehmen die Generierung der für den Erhalt und den Ausbau der Netzwerkstrukturen und Servicekonzepte notwendigen Erträge. Wenn hierbei die gegenteilige Situation eintritt, hat der betroffene Dienstleister ein ernstes Problem, sofern die Dinge nicht rasch wieder ins Lot kommen.
Bei der Scheffknecht Transporte GesmbH sieht man sich mit der umgekehrten Situation konfrontiert. Die Firmenzentrale in Lustenau ist platzmäßig voll ausgelastet. Bei einem Lokalaugenschein an einem Donnerstag im Oktober um 10 Uhr gibt es an der Rampe für den Güterumschlag kaum einen freien Platz. So geht das angeblich die ganze Woche. ,,Wir werden uns vergrößern müssen“, sind sich die Geschwister und Geschäftsführer Barbara Scheffknecht-Iser und Lothar Scheffknecht einig. Letzterer steht in Personalunion auch an der Spitze der Scandia Logistic GmbH mit Sitz in Lauterach, deren 23 Mitarbeitende mit der Disposition von wöchentlich 20 Lkw-Zügen für Sammelgut-, Teil- und Komplettladungsverkehre auf den Verbindungen zwischen dem Bodenseeraum auf der einen sowie Schweden, Norwegen und Finnland auf der anderen Seite im Vorjahr rund 4,5 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet haben.
Bei der Schwestergesellschaft Scheffknecht Transporte stehen aktuell exakt 96 Beschäftigte auf der „Payroll“. Dieses Team verteilt sich auf die Firmenzentrale und ein Zollbüro in Lustenau sowie auf die seit 30 Jahren bestehende Niederlassung in Gossau/St. Gallen in der Ostschweiz. Seine Mitglieder lösen für die Kunden und Geschäftspartner so ziemlich jede Aufgabenstellung in den Marktsegmenten der nationalen und internationalen Spedition, darunter auch die Bewirtschaftung eines Zolleigenlagers und die Lösung von komplexeren Aufgabenstellungen in der Lagerlogistik mit Zusatzleistungen in der Distribution. Sie tun das mit einem großen persönlichen Einsatz und mit einem hohen Servicegrad.
Mit diesem Strategieansatz findet das Anfang der 1970er Jahre gegründete Transport- und Logistikunternehmen einerseits in Marktnischen mit besonderen Ansprüchen und andererseits bei kleinen bis mittelgroßen Importeuren/Exporteuren großen Zuspruch. Es gibt eine ausreichende Zahl von Geschäftspartnern mit einer guten Auftragslage, die sich lieber voll und ganz auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von qualitativ hochwertigen Produkten konzentrieren als sich mit Fragen im Bereich Transport und Logistik zu beschäftigen. Zwar kennen deren Verantwortliche die Bedeutung dieser Disziplinen. Pünktliche Lieferservices sind heute das Um und Auf in der arbeitsteiligen Wirtschaft. Jedoch gibt es Fachbetriebe auf diesem Gebiet, die sich den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigen als mit der Organisation und Abwicklung von Aufgabenstellungen in der Transport- und Lagerlogistik.
In Vorarlberg gehört Scheffknecht Transporte zum Kreis dieser Spezialisten. Das Familienunternehmen mit 25 eigenen Lkw und zuletzt rund 16 Mio. Euro Jahresumsatz strahlt mit seinen Servicekonzepten in den Bereichen Landverkehr, Luft-/Seefracht, Lagerlogistik, Distribution und Zollservice bis in das Fürstentum Liechtenstein, in die Ostschweiz und nach Süddeutschland aus. Der Auslastungsgrad der Speditionsanlage in Lustenau hat ein Niveau erreicht, das eine Vergrößerung des Objekts unverzichtbar macht. Doch die Bodenverwertung in Vorarlberg ist sehr angespannt, wissen Barbara Scheffknecht-Iser und Lothar Scheffknecht aus leidvoller Erfahrung. Daher müssen Unternehmen mit Expansionsbedarf teilweise auf Grünland ausweichen, was den großen Arbeitgebern im ,,Ländle“ leichter fällt als den kleinen bis mittelgroßen Betrieben.
So kommt es, dass die Geschäftsführung von Scheffknecht Transporte noch nicht genau weiß, wohin das Projekt Ausbau der Speditionsanlage führt. Die einfachste Lösung wäre ein Zubau beim Bestandsobjekt. Wenn es ganz schlimm kommt, muss das Unternehmen an einen anderen Standort ausweichen. ,,Dabei haben wir auch so immer wieder mit Veränderungen zu tun“, berichten Barbara Scheffknecht-Iser und Lothar Scheffknecht. Hervorgerufen durch die Konsolidierung in der Transport- und Logistikbranche fallen laufend Partnerfirmen sowohl in der nationalen als auch in der internationalen Stückgutlogistik weg. Für sie muss dann rasch ein adäquater Ersatz gefunden werden, was in manchen Regionen ein schwieriges Unterfangen darstellt.
Außerdem plagen Scheffknecht Transporte – wie die gesamte Logistikbranche – Personalsorgen. Es sei schwierig, gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte zu finden, bestätigen Barbara Scheffknecht-Iser und Lothar Scheffknecht die Aussagen der Branchenkollegen. In Anbetracht dieser Tatsache absolvieren in ihrem Unternehmen aktuell vier Lehrlinge die Ausbildung zur Speditionsfachkraft. Ab Herbst 2020 will man auch Lehrstellen für Berufskraftfahrer anbieten. Das sei ein toller Job mit einem leider Gottes schlechten Imageprofil, lautet die offizielle Einschätzung. So müssten die Lkw-Fahrer im Alltag mitunter lange Wartezeiten, einen sich zusehends verschärfenden Termindruck – hervorgerufen durch die immer enger getakteten Lieferfenstersysteme der Industrie- und Handelsunternehmen – und unfreundliche Gesprächspartner in Kauf nehmen, obwohl ihre Tätigkeit für das Funktionieren der Wirtschaft unverzichtbar ist.
In der hohen persönlichen Einsatzbereitschaft von jedem einzelnen Mitarbeitenden sehen Barbara Scheffknecht-Iser und Lothar Scheffknecht das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zu den industrialisierten Prozessketten und Systemverkehren bei den Konzernspeditionen. Zwar ist auch ihr Unternehmen Mitglied in den Netzwerken der Stückgutkooperationen systempo im nationalen Verkehr und CargoLine im Europa-Verkehr. Dazu kommen Kooperationen mit ausgewählten Partnerspeditionen. Allerdings bekommt jeder Kunde einen persönlichen Ansprechpartner zugewiesen, an den er sich mit jedem Problem wenden kann. ,,Das bleibt weiterhin unserer Devise“, sagen Barbara Scheffknecht-Iser und Lothar Scheffknecht übereinstimmend. Insofern könnten sich durch die Lösung der beengten Platzverhältnisse in Lustenau in Zukunft manche Anfragen erübrigen.
JOACHIM HORVATH