WIEN. Gespräche mit Prof. Fritz Macher zu den Themen Schienengüterverkehr und Bahnlogistik sind immer ein Genuss. Der Geschäftsführer der Grampetcargo Austria GmbH besitzt in beiden Themenbereichen ein Fachwissen wie nur wenige andere Spezialisten in Österreich. Der passionierte Bergsteiger stand in seiner beruflichen Karriere fast zehn Jahre an der Spitze von Kühne + Nagel Österreich und war danach Mitglied im Vorstand der Rail Cargo Group (RCG). Was er tut oder sagt, hat Hand und Fuß. Der im Weinviertel lebende Logistikfachmann sammelt immer selber persönliche Eindrücke, bevor er sich zu einer Sache äußert. Er spricht mit den Mitarbeitenden und Kollegen in den betroffenen Unternehmen, prüft ihre Aussagen auf deren Plausibilität und trifft dann eine Entscheidung.
Vor der Bahnlogistik in Osteuropa zieht Fritz Macher den Hut. Denn dort leisteten die Eisenbahner noch viel zu oft mit Steinzeittechnologien Bemerkenswertes, um den Schienengüterverkehr am Laufen zu halten. Die dafür bereitstehenden Werkzeuge sowie Unterstützungssysteme hinkten den Weststandards um Jahrzehnte hinterher, lautet sein Urteil. Teilweise gebe es bizarre Szenarien wie zum Beispiel die knapp 3,6 Kilometer lange Straßen- und Eisenbahnbrücke zwischen Calafat in Rumänien und Vidin in Bulgarien. Dabei handelt es sich um ein modernes Bauwerk, das alle Anforderungen des Schienengüterverkehrs in 21. Jahrhundert erfüllt. Bloß fehlen die leistungsfähigen Zulaufstrecken mit elektrischer Traktion!
Trotzdem haben die Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa viele gute Seiten für Österreich. „Ohne die ‚Ostöffnung‘ vor 30 Jahren und die EU-Osterweiterung im Jahr 2004 könnte unser Land die momentan angespannte wirtschaftliche Situation in der deutschen Automobil- und Maschinenbauindustrie nur schwer verkraften“, analysiert Fritz Macher die Sachlage. Vor allem die Güterbahnen könnten davon in einem viel größeren Ausmaß profitieren als das momentan der Fall sei. Noch fehle dafür die Interoperabilität der Systeme. Jedoch müssten anstatt der nationalen Interessen die Stärken der Netzwerke in den Vordergrund rücken, und das begleitet von einer zeitgemäßen Verkehrspolitik mit dem unbedingten Willen zur Förderung von Maßnahmen für den Klimaschutz.
Was Fritz Macher in diesem Zusammenhang sträflich vermisst, ist die Internalisierung der externen Kosten im Straßengüterverkehr. „Zwar werden die Güterbahnen schon jetzt in ganz Europa für die Benützung der Schieneninfrastruktur zur Kasse gebeten. Jedoch fehlt das Gegenstück dazu für den Lkw-Schwerverkehr. Ohne diese Finanzmittel kann der Nachholbedarf bei der Schieneninfrastruktur sowie bei den bi- oder trimodalen Güterverkehrszentren in Ost- und Südosteuropa nie aufgeholt werden“, lautet sein eindringlicher Appell an die Adresse der Verkehrspolitik. Außerdem bezeichnet er die zahlreichen Sicherheitsvorschriften und die damit verbundenen Overheads für die Güterbahnen als beschwerlich. Der dafür von den Bahngesellschaften zu leistende Aufwand übersteige die Vergleichswerte bei den Lkw-Transporteuren um ein Vielfaches.
Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der rumänischen Grampet Group zum führenden Anbieter von Carrier-Diensten im Schienengüterverkehr in Südosteuropa bemerkenswert. Das Unternehmen in Privatbesitz feiert in 2019 das Jubiläum des 20-jährigen Bestehens. Seine Struktur ist geprägt von eigenständig agierenden nationalen Frachtbahnen, welche im grenzüberschreitenden Verkehr eng kooperieren. Das geschieht mittels der Verknüpfung von modernen Technologien in zentralen Bereichen mit bewährtem oder ertüchtigtem Rollmaterial (Lokomotiven, Bahnwagen) zu wirtschaftlich attraktiven Gesamtlösungen, die verstärkt in der Reaktivierung von aufgelassenen Bahnstrecken münden.
Fritz Macher beleuchtet das am Beispiel der Wiederaufnahme der Anschlussbahnen zu bestimmten RWA-Lagerhäusern im Weinviertel. Dabei legen die Güterzüge die Hauptläufe in E-Traktion zurück und kommen auf der „letzten Meile“ Diesellokomotiven zum Einsatz. Das Equipment als solches wird in den eigenen Werkstätten in Rumänien gewartet oder modernisiert. „So können wir um bis zu einem Drittel günstiger produzieren als die Mitbewerber“, betont man bei Grampetcargo Austria. Besagte Systematik bewährt sich auch bei den intermodalen Transitverkehren durch Österreich, wo das Unternehmen derzeit mit wöchentlich zehn Rundläufen auftritt.
Individuelle Problemlösungen für Anschluss- und Nebenbahnen sind eines der Spezialgebiete von Grampetcargo Austria. So entwickelt das Unternehmen als Partner in einem Produkionsverbund mit der GKB ein Konzept für die Fortführung der Bahnverkehre nach Groß Schweinbarth im Weinviertel. Außerdem vermutet Fritz Macher ausreichend Potenzial für die Reaktivierung des Güterverkehrs auf der im Jahr 2010 aufgelassenen Strecke der Donauufer- oder Wachaubahn zwischen St. Valentin und Krems. Dafür schwebt ihm ein dreistufiges Konzept vor Augen, wofür die Unterstützung des Eigentümers der Infrastruktur – der Niederösterreichischen Verkehrsorganisationsges.m.b.H. (Növog) –notwendig wäre. Die Kosten für die Umsetzung des Projekts liegen dem Vernehmen nach im einstelligen Euro-Millionenbereich. Die Überzeugungsarbeit gegnüber der Landesregierung gestaltet sich dem Vernehmen nach zäh, obwohl schon in der ersten Phase ein Verlagerungseffekt von zumindest 400.000 Tonnen Güter im Jahr von der Straße auf die Schiene zu erwarten wäre.
JOACHIM HORVATH