FISCHAMEND. Ein wenig fehlte ihm der Glaube an die Beständigkeit des Wandels. Zwar hatte Mag. Stefan Krauter schon in seiner Maturaarbeit die früheren Comecon-Länder in das vereinte Europa miteinbezogen. Das beurteilten seine Lehrer mit leichten Punkteabzügen, weil sie das für ziemlich weit hergeholt hielten. Jedoch sollte der heutige CEO der cargo-partner Gruppe (mehr als 3.000 Mitarbeitende an über 130 Standorten in 40 Ländern) mit seiner im Alter von 18 Jahren getroffenen Prognose recht behalten. Im Jahr 1989 wurde die von mutigen „Vorkämpfern“ wie Lech Walesa erwirkte „Ostöffnung“ Realität. Stellte sich nur die Frage über die Dauerhaftigkeit des Reformprozesses.
Er habe sich sehr über den Fall des „Eisernen Vorhanges“ gefreut, erinnert sich Stefan Krauter im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Sein ursprünglich auf Luft- und Seefracht spezialisiertes, am Flughafen Wien im Rahmen des Familienunternehmens LKW Walter gegründetes und seit 1990 eigenständig agierendes Unternehmen war damals noch ein kleiner aber innovativer Dienstleister, der seine Kunden und Geschäftspartner in Europa und Übersee mit Servicekonzepten zur Bedienung der Länder in Zentral-, Ost- sowie Südosteuropa begeistern wollte. Dafür diente in der Luftfrachtspedition zunächst der Flughafen Wien als östlichste Drehscheibe für die Abfertigung von Sendungen nach westlichen Qualitätsstandards. Heute stellt sich die Situation, ausgelöst durch den Ausbau der Frachtkapazitäten auf den Airports in Budapest und Prag, anders dar.
In der Seefracht haben die Containerterminals der Häfen in Polen (Gdynia, Gdansk) aber auch in der nördlichen Adria (Triest, Koper, Rijeka) durch gezielte Investitionen in die Modernisierung der Umschlaganlagen einen massiven Aufschwung erfahren. „Noch vor 15 Jahren wurde der Großteil der FCL/LCL-Verkere nach Zentral-, Ost- und Südosteuropa über Hamburg und Bremerhaven geroutet“, bestätigt Stefan Krauter die Aussagen seiner Branchenkollegen. Mittlerweile würden die Sendungen so nahe wie möglich zu den Absatzgebieten verschifft, weil das die vernünftigste Form der interkontinentalen Transportlogistik sei. Hinzu komme der starke politische Wille für den Ausbau der Bahnstrecken von China nach Europa v.v., denen allerdings eine Senkung der Fördermittel drohe.
Ohne die „Ostöffnung“ vor 30 Jahren würde es die cargo-partner Gruppe in der heutigen Form nicht geben. Das räumt Stefan Krauter unumwunden ein. Dass er die ersten Niederlassungen in den Reformstaaten erst 1993 in Prag und 1994 in Budapest gegründet hat, war seinen Zweifeln an der Nachhaltigkeit des politischen Wandels geschuldet. Außerdem ließ zu dieser Zeit die Kapitalausstattung seines Unternehmens noch zu wünschen übrig. Da wollte jeder Expansionsschritt gut überlegt sein. Stefan Krauter: „Es gab damals viele Glücksritter – natürlich auch in der Speditionsbranche, die an den Umbruch geglaubt haben und beträchtliche Risiken eingegangen sind. Gegen sie mussten wir anfangs bestehen.“
Den Großteil der besonders mutigen Mitbewerber gibt es heute nicht mehr. Es handelte sich dabei weniger um Neugründungen mit Eigentümern aus den postkommunistischen Ländern. Dafür fehlten im gesamten Wirtschaftsraum das Know-how und die mit den Feinheiten des Speditionsgeschäfts vertrauten Fachleute. Das musste auch die cargo-partner Gruppe sehr schnell erkennen. Doch man fand eine Lösung in der Form der Anstellung von Personen, die bis zur „Wende“ in den staatlichen Außenhandelsunternehmen gearbeitet hatten und – auch vom finanziellen Aspekt her betrachtet – Interesse an einer beruflichen Veränderung verspürten. Sie erhielten das speditionelle Fachwissen in internen Schulungen.
Aus den vorsichtigen Anfängen entstand eine erfolgreiche Ost-/Südosteuropa-Logistikorganisation mit momentan 1.946 Mitarbeiternden an 51 Standorten in elf Ländern inklusive Österreich. „Nur in der Ukraine sind wir an unserer konsequenten Compliance-Politik gescheitert. Dort gab es zumindest in der Zeit nach der ‚Orangen Revolution‘ Gepflogenheiten bei der Geschäftsanbahnung, mit denen wir uns nicht arrangieren konnten“, berichtet Stefan Krauter. Momentan ist für ihn die im Vergleich zu Österreich und Westeuropa größere Dynamik bei der Entwicklung des Wirtschaftswachstums das auffälligste Phänomen in der Region. Das wurde in den letzten Jahren begleitet von einer erheblichen Migration von jungen und gebildeten Menschen in Richtung Österreich, Deutschland, BeNeLux, England und Skandinavien, was einen Arbeitskräftemangel in Osteuropa verursacht hat.
Doch das Blatt könnte sich wenden, je mehr sich die Gehaltsschemen in den neuen EU-Mitgliedstaaten an die Verhältnisse im „Westen“ anpassen. Stefan Krauter verwendet dafür den Begriff der Konvergenz der Arbeitsmärkte. Treibende Kraft für diese Entwicklung ist laut seiner Einschätzung der Sachlage auch die von der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken geförderte rege Bautätigkeit im Bereich der Logistikimmobilien. Das nährt bei ihm die Befürchtung auf das Entstehen von Leerständen, hervorgerufen durch ein Überangebot an modernen Objekten für die Erbringung von Dienstleistungen in der Transport-, Lager- und Distributionslogistik.
„Trotzdem kann man die von den österreichischen Banken in den letzten 30 Jahren in Ost- und Südosteuropa erbrachten Leistungen gar nicht hoch genug einschätzen“, betont Stefan Krauter ausdrücklich. Erst die Unterstützung durch die Geldinstitute habe den Aufbau von Netzwerk-Strukturen wie jenes der cargo-partner Gruppe ermöglicht. Allein in den letzten fünf Jahren wurden in Fischamend, Ljubljana, Belgrad und Sofia neue Objekte mit 85.000 m² Hallenfläche errichtet. Damit will sich das Unternehmen in Privatbesitz mit zuletzt rund 753 Mio. Euro konsolidierten Jahresumsatz am internationalen Markt zukünftig verstärkt als integrierter Logistikdienstleister mit einer engmaschigen Distribution im Wirtschaftsraum CEE/SEE positionieren.
JOACHIM HORVATH