„China braucht leistungsfähige Netzwerk-Partner in Europa“

„Asien ist eine große Chance, die unser europäisches Netzwerk befruchten kann“, sagt RCG-Vorstand Thomas Kargl. Deshalb engagiert sich der ÖBB Güterverkehr stark im Fahrtgebiet auf der „Eisernen Seidenstraße“, wo man in der Rolle als „General Operator“ mittelfristig mehr als 10 Prozent Marktanteil erreichen will.

„China braucht leistungsfähige  Netzwerk-Partner in Europa“ Bild: Budapest hat sich zuletzt erfolgreich zu einem „Gateway“ für die China-Bahnverkehre entwickelt.

WIEN. Fast schon im Wochentakt treffen in der Redaktion Einladungen zur Teilnahme an Veranstaltungen zum Thema „Neue Seidenstraße“ ein. Wie muss es da erst Thomas Kargl, dem für die China-Verkehre verantwortlichen Vorstandsdirektor der Rail Cargo Group, ergehen? Der Manager ist viel auf Achse. Erst um den 20. Mai herum verweilte er in Shanghai, um in Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der Containerreederei Cosco Shipping Lines den aktuellen Stand der Zusammenarbeit und neue Projekte zu erörtern. Schon jetzt pflegen die beiden Unternehmen eine intensive Partnerschaft. Aber wenn die Dinge gut laufen, kann da noch viel mehr kommen.

Auch mit den Logistikplattformen in den zahlreichen chinesischen Regionen ist die Rail Cargo Group gut vernetzt. Diese Kundenkreise erhalten von ihren Regierungen finanzielle Förderungen für den Aufbau von schnellen Transportrouten nach Europa. Man kann das als eine Art Anschubförderung verstehen. Aber irgendwann müssen sich die Zugprodukte selber finanzieren. Schon im Jahr 2021 könnten rund 1,5 Mio. TEU auf der „Eisernen Seidenstraße“ rollen. Für die Zeit danach halten Fachleute eine Verdoppelung des Transportvolumens auf 3 Mio. TEU für möglich. „Das wäre eine gewaltige Herausforderung für die Infrastruktur“, warnt Thomas Kargl vor überzogenen Erwartungen.

Chinesische Unternehmen wollen in Europa investieren. Hier liegt die große Chance für die Rail Cargo Group. Im Wettbewerb mit den zahlreichen anderen Anbietern von Bahntransporten bringt der ÖBB Güterverkehr sein Netzwerk in Europa ins Spiel. Dabei tritt man als „General Operator“ auf, der eine Brücke von China nach Europa schafft und den „Alten Kontinent“ mit einem effizienten Netzwerk, leistungsfähigen Anlagen für den Umschlag der intermodalen Transporteinheiten und einer vielfältigen Palette an ergänzenden logistischen Dienstleistungen bedient. Für die chinesischen Kundenkreise spiele zudem die durchgehende Digitalisierung der Prozesse von der Auftragserteilung bis hin zur Rechnungslegung eine große Rolle, betont Thomas Kargl im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung.

Nach den vorliegenden Planungen fährt die Rail Cargo Group im laufenden Jahr mehr als 600 Blockzüge auf der „Eisernen Seidenstraße“. Das käme einem Transportaufkommen von rund 50.000 TEU gleich, wovon 60 Prozent auf den Verkehr westbound von China nach Europa entfallen. „Hier transportieren wir in erster Linie Konsumgüter, Elektronik und Haushaltsgeräte. In der Gegenrichtung dominieren die Kundenkreise aus dem automotiven Sektor“, berichtet Thomas Kargl. Laut seinen Angaben entwickeln sich auch die intermodalen Bahnservices im Vor- und Nachlauf der „Maritimen Seidenstraße“ zwischen Ostasien und dem Hafen Piräus gut. Ihr Angebot beträgt aktuell fünf bis sechs Rundläufe in der Woche.

Piräus ist über diese Achse regelmäßig mit Budapest verbunden, das auch für die Verkehre entlang der „Eisernen Seidenstraße“ an Bedeutung gewinnt. Vor allem der neue Bahnservice mit zehn Tagen Laufzeit von Xian in die ungarische Hauptstadt und retour kommt in der verladenden Wirtschaft gut an. Das bestärkt Thomas Kargl in der Ansicht, „dass unsere Zugprodukte die Reise von China nach Zentraleuropa in einer Zeitspanne von neun bis elf Tagen zurücklegen müssen“. Parallel dazu zeichnet sich ein Ausbau der Aktivitäten im Seehafen-Hinterlandverkehr auf der Schiene ab. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die chinesische Containerreederei Cosco Shipping Lines Interesse an einer Stärkung ihrer Marktposition im Hinterland der Häfen Rijeka und Triest hat.

JOACHIM HORVATH

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