ANSFELDEN. KommR Alfred Schneckenreither hält den Ball gerne flach, wie der Volksmund zu sagen pflegt. Der geschäftsführende Gesellschafter der Internationalen Spedition Schneckenreither lässt lieber Taten sprechen als ausführlich über die Entwicklungen bei der oberösterreichischen Unternehmensgruppe in Familienbesitz zu erzählen. Aber beim Thema „30 Jahre Ostöffnung und die Folgen für die Logistikbranche“ macht er eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Das sei eine spannende Zeit gewesen, die der heimischen Speditionsbranche viele neue Chancen eröffnet habe, erzählt er. Einige Transport- und Logistikdienstleister nutzten die Rolle Österreichs als „Tor zum Osten“ frühzeitig und gründeten bereits kurz nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ eigene Niederlassungen und Betrtiebsstätten in den postsozialistischen Reformländern.
Dazu zählte auch die Internationale Spedition Schneckenreither. Ihr erster Standort in Osteuropa war die im Jahr 1992 eröffnete Niederlassung in Prag. Ein Jahr später folgte die Station in Budapest. Die seit 2004 bestehende Firma TFP in Trencin (Slowakei) ist gemeinsam mit Zeller Transporte der Transportsparte der Unternehmensgruppe mit aktuell 530 Mitarbeitenden an 16 Standorten in drei Ländern und 160 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2018 zugeordnet. Diese betreiben einen Eigenfuhrpark bestehend aus 160 ziehenden Einheiten und einer deutlich höheren Zahl von Aufliegern, ergänzt um 100 Wechselbrücken für Einsätze im Rahmen der europaweiten Stückgut-Systemverkehre mit ausgewählten Speditionspartnern oder als Mitglied in den Mittelstandskooperationen systempo für Österreich und CTL für die internationalen Verkehre.
„In der Europa-Logistik sind wir ein riesiger Bauchladen mit der Befähigung zur Ausarbeitung und Umsetzung von kundenspezifischen Servicekonzepten“, befindet Alfred Schneckenreither im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Das gilt insbesondere für die Lagerlogistik, wo das Angebot der in eigener Verantwortung bewirtschafteten Hallenflächen auf mehr als 75.000 m² gewachsen ist – zuletzt wurde eine Logistikanlage in Kremsmünster in Betrieb genommen. In dieser Disziplin beobachten die Verantwortlichen der oberösterreichischen Spedition bei zahlreichen Unternehmen einen Bewusstseinswandel hin zur Konzentration auf das herausfordernde Kerngeschäft, während man alle anderen Tätigkeiten den darauf spezialisierten externen Dienstleistern überlässt.
Auch bei den Transportlösungen von West-/Mitteleuropa nach Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen sowie in weiterer Folge nach Südosteuropa musste sich die verladende Wirtschaft in den 1990er Jahren und nach der Jahrtausendwende auf das Know-how der österreichischen Speditionen verlassen können. Die Verkehre waren damals mit so vielen Unwägbarkeiten behaftet, dass die Exporteure mit ihrer Abwicklung in Eigenregie überfordert gewesen wären. Zeitzeugen begründen das mit den teilweise stundenlangen Grenzwartezeiten, komplizierten Zollverfahren sowie den damals in den Oststaaten nicht vorhandenen Netzwerken für die flächendeckende Distribution von Stückgütern.
Man kann die von den österreichischen Speditionen nach der „Ostöffnung“ erbrachten Leistungen nur dann objektiv beurteilen, wenn man sich das damalige Umfeld vor Augen führt. Hier muten die Schilderungen von Alfred Schneckenreither geradezu abenteuerlich an. So musste in Prag im Jahr 1992 erst einmal ein Standort gefunden werden, welcher mit einem eigenen Telefonanschluss ausgestattet war. Die Wahl fiel auf ein Objekt, in dem noch zwei andere nationale Transport- und Logistikdienstleister untergebracht waren. „Mit diesen Unternehmen teilten wir uns das Faxgerät“, schmunzelt Alfred Schneckenreither. Trotzdem reisten er und sein Team manchmal dreimal wöchentlich mit dem Auto von Ansfelden nach Prag, um gewisse Fragen vor Ort zu regeln; das trotz der damals denkbar schlechten Straßenverbindung.
„Man kann das, was bestimmte österreichische Speditionen in den frühen 1990er Jahren in Osteuropa vollbracht haben, als Pionierleistung bezeichnen“, ist Alfred Schneckenreither überzeugt. Dabei mussten für heute unvorstellbare Widrigkeiten und Herausforderungen vernünftige Lösungen gefunden werden. So fehlten die geeigneten Objekte für den Umschlag von Stückgütern, geschweige denn für die Erbringung von lagerlogistischen Dienstleistungen auf westlichem Niveau. Da konnte es schon vorkommen, dass ein, ebenfalls von Schneckenreither mitgegründeter Paketdienst, einen früheren Schießkanal durch die Ausstattung mit Toren für die Be- und Entladung von Lkw-Zügen und Transportern in einen Depotstandort inklusive HUB umfunktioniert hat.
Seither ist in den Ländern in Ost- und Südosteuropa viel geschehen. „Es gibt hier jetzt fast überall Netze für die flächendeckende Sammlung und Verteilung von Stückgütern in 24 Stunden sowie moderne Logistikterminals“, fasst Alfred Schneckenreither seine Eindrücke zusammen. Die Firmen der Schneckenreither-Gruppe sind vorsichtig gewachsen. Im Prager Büro kümmern sich aktuell sechs Mitarbeitende mit der Laderaumbeschaffung für FTL/LTL-Straßentransporte. Ihre fünf Kollegen in Budapest bieten Speditionsdienste mit dem Schwerpunkt internationale Stückgutverkehre und Logistiklager an. Sie alle verbindet eine enge Kooperation mit den österreichischen Schneckenreither-Niederlassungen, die in den letzten Jahren dank der zunehmenden Outsourcing-Bereitschaft in den Branchen Reifen, Konsumgüter, Lebensmittel (GDP-, IFS- und Bio-Zertifizierung) deutlich gewachsen sind.
JOACHIM HORVATH