WIEN. Selbst in gut gemanagten Unternehmen schleichen sich bei einer Alleinstellung am Markt gewisse Trägheiten ein. Diese machen sich dann bemerkbar, wenn ein neuer Mitbewerber auf den Markt tritt. Insofern läutete die Eröffnung des Güterterminals Wien Süd der ÖBB Infrastruktur bei der Hafen Wien-Tochtergesellschaft WienCont eine neue Zeitrechnung ein. Bis dahin war die Betreibergesellschaft des heute schon völlig CO2-neutralen trimodalen Containerterminals im Hafenbecken Freudenau zwar ein kundenorientiert agierender und leistungsfähiger Dienstleister. Jedoch gab es für die Spediteure, Reedereien, Bahnoperateure und Güterbahnen im Großraum Wien keine Alternativen zu diesem Anbieter.
Das hat sich vor knapp drei Jahren geändert und seither ticken die Uhren bei der WienCont anders. Als Reaktion auf den Verlust von etwa 30 Prozent des Umschlagaufkommens wurden ganz klar Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet. „An die Stelle der damals bewährten Struktur ist die Neuinterpretation des klassischen Hinterlandterminals getreten“, erläutert Mag. Doris Pulker-Rohrhofer in der Funktion als technische Geschäftsführerin der Hafen Wien Gruppe im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Konkret spricht sie damit ein neues partnerschaftliches Modell der Zusammenarbeit mit den Kunden an, auf deren Bedürfnisse jetzt noch stärker als das bisher schon der Fall war Rücksicht genommen wird.
WienCont-Geschäftsführer Mag. (FH) Harald Jony erläutert das anhand von zwei Beispielen. Eines bezieht sich auf den intermodalen Netzwerk-Betreiber Hupac, der vor einem Jahr eine Lösung für die operative Abwicklung der Bahnverkehre von Wien nach Budapest v.v. suchte. Daraus entstand ein neutraler Bahn Shuttle-Service mit wöchentlich drei Rundläufen. Im zweiten Fall wurde für LKW Walter ein neues Konzept im Bereich der Planenreparaturen eingeführt. Es erspart der internationalen Transportorganisation die Überstellung der Fahrzeuge zu einem externen Dienstleister und damit Zeit und Geld.
Wenn man es so formulieren will, befindet sich die WienCont im Zustand der permanenten Weiterentwicklung. Noch in diesem Jahr soll die Marke von 100 Zügen pro Woche erreicht werden. Mit der Einführung der Regelverkehre auf der Achse Wien – Rotterdam (LKW Walter mit Ecco Rail) ist das Unternehmen diesem Ziel schon sehr nahegekommen. Am 10. September startet die Hupac in Zusammenarbeit mit der Wiener Lokalbahnen Cargo (WLC) einen Bahnshuttle-Service zwischen Wien Freudenau und Ludwigshafen. Ihm soll nach Möglichkeit noch in 2019 die Aufnahme einer Transportlösung auf der Schiene für nicht kranbare Trailer auf der Route von und nach Duisburg folgen, wobei hier das Unternehmen Helrom Limited als Partner fungiert.
„Unser trimodales Containerterminal weist eine einzigartige Lage auf. Es befindet sich nahe dem Wiener Stadtzentrum und verbindet die Verkehrsträger Schiene, Wasser und Straße. Die Positionierung mitten in einem Güterverkehrszentrum eröffnet den Geschäftspartnern viele interessante Optionen in den Bereichen Verzollung durch die Schwestergesellschaft TerminalSped beziehungsweise Lagerlogistik oder Stuffing und Stripping im Hafen Wien“, schwärmt Doris Pulker-Rohrhofer. Wem das zu wenig sei, der könne für darüber hinausgehende Aufgabenstellungen die Dienste der in den drei Hafenbecken angesiedelten Speditions- und Logistikunternehmen in Anspruch nehmen.
Für Harald Jony hat die WienCont in den letzten drei Jahren einen Wandel zum Spezialisten und Allrounder vollzogen. „Was wir tun, das machen wir in einer erstklassigen Qualität. Wo Verbesserungsbedarf besteht, da nehmen wir die Dinge entschieden in Angriff“, lautet seine Devise. Das Ergebnis dieser Anstrengungen ist die Einführung eines neuen Terminalmanagementsystems, begleitet von der Beschleunigung der Lkw-Abfertigungszeiten. Aus der Partnerschaft mit der niederländischen Firma Smith Europe resultiert eine Stärkung der Position im Marktsegment der Reefer Services. Mit dem Kauf der Firma Fehringer Technical Services GmbH, mit unter anderem einen Standort in Himberg, wurde das Leistungsspektrum im Bereich der Containerreparaturen um eine mobile Servicevariante ergänzt. So konnte das Unternehmen einige namhafte Containerreedereien als Kunden zurückgewinnen.
Gestützt auf dieses in die Sparten Umschlag, Depot mit einer Kapazität für 10.000 Container, Handel und Reparatur unterteilte Geschäftsmodell zeichnet sich bei der WienCont im laufenden Jahr eine deutliche Mengensteigerung ab. Nach 350.000 TEU Gesamtaufkommen in 2018 steht für den Zeitraum von Jänner bis Juni ein Plus von 6 Prozent zu Buche. „Im Optimalfall könnten wir ein Wachstum im knapp zweistelligen Prozentbereich erreichen“, berichten Doris Pulker-Rohrhofer und Harald Jony. Dabei profitiert der Standort von den in etwa gleich starken Standbeinen im Segment der kontinentalen Bahnverkehre und der maritimen Operationen. Letztere sind ganz klar auf die Verbindungen in die Nord- und Westhäfen ausgerichtet.
Mit vier Gleisen unter drei Kranbrücken und drei weiteren Gleisanlagen mit einer Bedienung per Reachstacker ist WienCont laut eigenen Angaben der größte Containerterminal in Österreich. Doris Pulker-Rohrhofer beziffert die derzeit bereitstehende Jahreskapazität mit 700.000 TEU. Unter Berücksichtigung der neuen Tochtergesellschaft Fehringer Technical Services beschäftigt das Unternehmen knapp 100 Mitarbeitende, die 2018 einen Umsatz in der Höhe von 11,5 Mio. Euro erwirtschaftet haben. Mit diesem Team strebt das Management in den nächsten Jahren ein kontinuierliches und nachhaltiges Wachstum an. Dabei ruhen die Hoffnungen einerseits auf dem Ausbau der Trailerzüge und andererseits auf der Etablierung von starken Zugprodukten entlang der Achse Baltikum-Adria-Balkan mit den Schlüsselländern Polen und Türkei.
JOACHIM HORVATH