Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen der aktuellen Insolvenzentwicklung in Österreich für das 1. Halbjahr 2022 erhoben: Insgesamt gab es in Österreich 7.153 Firmen- und Privatinsolvenzen (+56,5 Prozent). Die Zahl der eröffneten Verfahren ist um fast 100 Prozent auf 1.428 gestiegen. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen haben sich um 164 Prozent auf 1.001 erhöht.
Die Firmeninsolvenzen haben einen Rekordzuwachs von 121,2 Prozent auf 2.429 Verfahren verzeichnet und erreichen annähernd das Vorkrisen-Niveau des Jahres 2019. Im Schnitt gab es 20 Insolvenzen pro Werktag. Starke Anstiege machten sich in den Branchen Kredit- und Versicherungswesen, Handel und Transportwesen bemerkbar.
Am stärksten stiegen die Insolvenzen im Kredit- und Versicherungswesen mit einem Plus von 185,7 Prozent, gefolgt vom Handel (+131 Prozent) und dem Transportwesen („Verkehr- und Nachrichtenübermittlung“) mit einem Plus von 128,3 Prozent. Die meisten Insolvenzanträge verzeichneten der Handel (432), die Dienstleistungen (416, +114,4 Prozent) und das Bauwesen (413, +52,4 Prozent). Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Transportwesen mit fast 20 von 1.000 Branchenunternehmen. Damit wurde erstmals das Bauwesen als die am meisten gefährdete Branche abgelöst.
Den stärksten Zuwachs verzeichneten Niederösterreich (+188,7 Prozent), Vorarlberg (+168,4 Prozent) und Oberösterreich (+159,4 Prozent). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit 10 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit 3 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten rund 7 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.
Die Mehrheit der Insolvenzen hat Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 600 Mio. Euro. 7.000 Arbeitsplätze und über 17.300 Gläubiger waren betroffen. 5.700 heimische Unternehmen sind laut aktueller Creditreform-Default Study zudem stark ausfallgefährdet. Die sogenannte „Corona-Blase“ löst sich auf.
Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform, sieht zwei Gründe für die Insolvenzwelle: „Einerseits sind die staatlichen Hilfen ausgelaufen und öffentliche Gläubiger (Finanz, GKK) stellen vermehrt Insolvenzanträge, andererseits sind die heimischen Unternehmen nach den Lockdowns von diversen Krisen gleichzeitig betroffen, die auf die Konjunktur drücken. Steigende Preise bei Materialien und Vorprodukten bei gleichzeitiger Unmöglichkeit die Preise eins-zu-eins an die Kunden weiterzugeben sowie steigende Löhne (infolge des Arbeitskräftemangels) führen zu sinkenden oder gar negativen Margen und bedeuten bei steigenden Zinsen dann das endgültige Aus für viele Firmen.“