WIEN. Auch bei Siemens Österreich läuft das Geschäft derzeit richtig gut. Das Unternehmen ist mit 10.300 Mitarbeitenden und 3,4 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2017 einer der führenden Technologieanbieter des Landes. Seine Geschäftstätigkeit gliedert sich grob dargestellt in die Gebiete Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung. Zum Produktspektrum gehören Systeme und Dienstleistungen zur Energieerzeugung, –übertragung und –verteilung, Lösungen für die Produktions-, Transport- und Gebäudetechnik, sowie Technologien für die hochqualitative und integrierte Gesundheitsversorgung, wobei diese Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Außerdem bekleidet Siemens Österreich die Leitfunktion für die Landesgesellschaften in Mittel- und Südosteuropa. Das ergibt in der Gesamtbetrachtung eine unter dem Begriff CEE zusammengefasste Organisation mit 20.700 Beschäftigten und 4,8 Mrd. Euro Jahresumsatz in 2017. Ihr Einkaufsvolumen im Bereich der Transport- und Lagerlogistik ist derzeit besonders hoch. Es beträgt rund 60 Mio. Euro im Jahr, wobei aus diesem Wert ein Großprojekt im Segment des Kraftwerkbaus in Bolivien hervorsticht. Man möchte meinen, ein Unternehmen in dieser Größenordnung bekommt bei Bedarf zu jeder Tages- und Nachtzeit jede erdenkliche Unterstützung auf dem Gebiet der Lager- und Transportlogistik.
Doch so einfach liegen die Dinge derzeit nicht. Speziell bei der Abdeckung von kurzfristigen Bedarfen treten fallweise Probleme auf. Ausschlaggebend dafür ist einerseits die gute Auftragslage bei den Logistikdienstleistern. Die Verantwortlichen der meisten Frachtführer, KEP-Firmen und internationalen Speditionen berichten übereinstimmend von sehr gut bis hervorragend ausgelasteten Kapazitäten. „Durch Engpässe bei unseren Partnern müssen wir auf den Spotmarkt gehen. Andererseits ist Siemens in Österreich, Mittel- und Südosteuropa ein Großverlader mit hohen Qualitätsansprüchen. Wir erwarten von unseren Logistikpartnern Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Flexibilität sowie ein vernünftiges Preis-/Leistungsverhältnis“, skizziert Mag. Niklas Nitsch, Head of Strategic Logistics CEE des Technologieunternehmens, das Anforderungsprofil.
Hinter dem Namen Siemens steht eine komplexe Organisation. Diesem Umstand begegnen die Verantwortlichen für die Logistik mit einer weitreichenden Systematisierung und Digitalisierung der Prozesse bis hin zur Rechnungslegung oder Vereinbarung der Haftungsregeln. Das Ergebnis dieser Bemühungen sind weltweit einheitliche Rahmenverträge für das Transport- und Projektwesen – eventuell unterlegt mit länderspezifischen Anhängen – und hochspezialisierte EDV-Applikationen für die Mitarbeitenden wie zum Beispiel der Botendienst Manager, das Routingorder Tool, die sogenannte „No Touch Logistik“ unter Berücksichtigung der vorgegebenen Incoterms, der auf alle Aspekte der Sperrigkeit ausgerichtete Frachtkalkulator oder die Systematiken zur Erstellung der elektronischen Lieferscheine.
Dazu kommen die sehr hochwertigen EDV-Anbindungen zu den Transport- und Logistikdienstleistern. Ihre Herstellung verlangt allen Beteiligten einiges ab. Das mag den Betroffenen vielleicht mühsam erscheinen. Man kann das aber auch positiv sehen. Jedenfalls vollzieht Siemens in Österreich, Mittel- und Osteuropa vor diesem Hintergrund nicht aus Jux und Tollerei heraus einen Partnerwechsel, weil die damit verbundenen Umstellungen mit einem beträchtlichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sind. Niklas Nitsch: „Wir holen gerade einen neuen Partner für den Europäischen Landverkehr an Bord. Dabei handelt es sich um ein Vorzeigeunternehmen auf dem Gebiet der Informationslogistik. Trotzdem erweist sich seine Implementierung in unsere Systemlandschaft als ein herausforderndes Unterfangen.“
Niklas Nitsch arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Logistikabteilung von Siemens Österreich und bekleidet seit 2003 die Funktion als Head of Strategic Logistics CEE. Dabei zieht er in enger Abstimmung mit den Kollegen der deutschen Einkaufsorganisation die Fäden auf dem Gebiet der Beschaffung von Transport- und Logistikdiensten für alle Produktionsstätten und Vertriebsniederlassungen in Österreich, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Ukraine und Israel, wobei die physische Abwicklung der Prozesse immer in die Zuständigkeit der einzelnen Werkstandorte fällt.
Zu den Hauptaufgaben von Niklas Nitsch zählt die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur laufenden Verbesserung der transport- und lagerlogistischen Prozessen. Das ist insofern ein spannendes Unterfangen, weil sich die Strukturen bei Siemens in Österreich, Mittel- und Südosteuropa laufend ändern. Außerdem hat das Unternehmen einen breit gefächerten Bedarf. Verschickt werden sowohl Brief- und Paketsendungen als auch Stückgüter, Teil- und Komplettladungen. Etwa 60 Prozent des Geschäftsvolumens entfällt auf die Projektlogistik, wo der Transport von 200 Tonnen schweren Transformatoren den Einsatz von ganz speziellen Bahnwagen auf der Verbindung von Weiz nach Linz und die Beschäftigung der Binnenschifffahrt für die Abwicklung der Vorläufe in die Seehäfen Antwerpen oder Rotterdam erfordert.
Transporte per Luftfracht versucht Siemens in Österreich, Mittel- und Südosteuropa aus Kostengründen zu vermeiden. Als umso wichtiger bezeichnet Niklas Nitsch den persönlichen Kontakt mit den Vertretern der Frachtführer, Speditionen und Logistikdienstleister, um gegebenenfalls alle für ihn relevanten Aspekte besprechen zu können. Daher müssen die Partnerfirmen auf dem Gebiet der Seefrachten auf jeden Fall mit einer Niederlassung in Österreich vertreten sein.
JOACHIM HORVATH