WIEN. Dafür, dass sich in weiten Teilen Europas die Konjunktur eintrübt, ist die Stimmung im Hafen Hamburg erstaunlich gut. Aber wie könnte das auch anders sein, wo sich in den vergangenen Wochen und Monaten doch viele Dinge zugunsten des größten deutschen Universalhafens entwickelt haben. Die Arbeiten für die Elbevertiefung sind endlich angelaufen und sollen bis 2021 einen Abschluss finden. Dann können auch die derzeit größten im Einsatz befindlichen Containerschiffe Hamburg ungehindert anlaufen. Und an der Position als Europas führender Bahnhafen gibt es ohnedies nichts zu rütteln. Etwa 2,3 Mio. TEU wurden im Jahr 2013 auf der Schiene abgewickelt, Tendenz steigend.
„In Europa liegt die Zukunft im Seehafenhinterlandverkehr in der Bahnlogistik“, sind die Vertreter der Hamburger Hafenwirtschaft überzeugt. In jenem Ausmaß, in dem die Stausituationen auf den Hauptverkehrsachsen für den Straßengüterverkehr steigen und die Zuverlässigkeit der Binnenschifffahrt durch den Klimawandel und die damit verbundenen Niedrigwasserphasen sinken, wachsen die Chancen für den Verkehrsträger Schiene. Jedoch muss auch hier die Entwicklung der Infrastruktur mitspielen, was selbst für die starke deutsche Volkswirtschaft eine enorme Herausforderung darstellt. Es hat in den letzten Jahrzehnten einfach zu viele Versäumnisse gegeben, als dass man den Status quo als perfekt bezeichnen könnte. Noch dazu herrscht in weiten Teilen Europas ein Mangel an Lokführern und bestehen unverändert Defizite im Bereich der länderübergreifenden Interoperabilität.
Doch davon sind alle Seehäfen in Europa betroffen. Außerdem ist die Bahnlogistik im Seehafenhinterlandverkehr keine Einbahnstraße. Nur wo optimale Zugdrehungen gewährleistet sind, kommen die Stärken eines Ports richtig zum Tragen. Diesbezüglich geht Hamburg als gutes Beispiel voran. Allein im Österreich-Verkehr stehen wöchentlich 40 Rundläufe auf dem Programm. Ihre Paarigkeit hat durch die zu Jahresbeginn erfolgte Verlegung von fünf Nordamerika-Diensten von Bremerhaven zum Terminal Altenwerder zusätzlichen Auftrieb erfahren. Alexander Till, Repräsentant des Hafen Hamburg in Österreich, sieht damit eine neue Zeitrechnung angebrochen.
Sowohl den Bahnoperateuren als auch den Containerreedereien entstehen durch die geänderte Konstellation im Seehafenhinterlandverkehr von und nach Österreich Vorteile. Erstere ersparen sich jetzt den Kosten- und Zeitaufwand, verursacht durch die Organisation und Abwicklung von Dreiecksverkehren via Bremerhaven. Schon bei einer Rotation pro Woche beträgt der Vorteil über 100.000 Euro im Jahr. Und bei den Linienreedereien entfällt der Aufwand für die Positionierung der Container. Indem sie Importboxen aus Fernost jetzt mit den Exportfrachten nach Nordamerika kombinieren, sinkt der Bedarf an Vorholungen aus Ungarn und der Slowakei.
Als ob das nicht schon genügend positive Entwicklungsszenarien für den Hafen Hamburg wären, kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Die Frachtraten zwischen den Nord- und Südhäfen sind wieder ziemlich ident. Alexander Till kann sich das nur so erklären: „Die Containerreedereien haben erkannt, dass die Niedrigraten auf den Südhafen-Relationen lediglich eine Verlagerung der früher über Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam oder Antwerpen gerouteten Container nach Triest, Koper, Rijeka oder hochsubventioniert nach Piräus bewirkt haben. Anstatt die erhofften zusätzlichen Mengen abzufahren, wurden den Unternehmen sogar noch ihre Margen beschnitten. Das ist nun offenbar vorbei.“
Für den China-Verkehr via Hamburg enorm wichtig ist die vor einigen Wochen in Angriff genommene Vertiefung der Fahrwasserrinne auf der Elbe. Damit erhalten die bereits vorhandenen Terminalfazilitäten für Großcontainerschiffe am Tollerort, Burchardkai und in Altenwerder die von den maßgeblichen Linienreedereien geforderte seeseitige Anbindung. Das ist insofern von Bedeutung, weil auf den China-Routen traditionell die besonders großen Containerschiffe in der Bandbreite von 14.000 TEU bis 21.000 TEU zum Einsatz kommen. Ihre modernen Motorentechnologien bewirken laut Alexander Till einen reduzierten Schadstoffausstoß bei gleichzeitig verminderten Transportkosten pro TEU im Vergleich zu den älteren und maximal 14.000 TEU großen Schiffen auf den Südhafen-Routen. Und dann sei da noch der 98%ige Bahnanteil im Österreich-Verkehr!
Mit 2,6 Mio. TEU Seefracht ist China der mit Abstand wichtigste Handelspartner für den Hafen Hamburg. Davon geht ein beträchtlicher Teil auf das Konto der deutschen Import- und Exportunternehmen. Der Rest verteilt sich auf die Länder in Zentral- und Osteuropa. Genau in diesem Einzugsgebiet, und nach Möglichkeit auch darüber hinaus, will der norddeutsche Seehafen seine Position als „Port Nr. 1“ für den China-Verkehr festigen. Derzeit liegt das seeseitige Angebot bei 20 Direktdiensten pro Woche. Außerdem werden wöchentlich rund 200 Bahnverbindungen vermarktet, was ein Jahresaufkommen von 120.000 TEU auf der „Eisernen Seidenstraße“ ergibt. So gesehen hat die „Tradelane China“ im Hafen Hamburg im Vorjahr die Marke von 2,7 Mio. TEU überschritten.
JOACHIM HORVATH