„Kleine Anbieter sind Garanten für einen weiterhin stabilen RFS-Markt“

Als österreichischer Transportunternehmer hat Wolfgang Böhm in den letzten 20 Jahren einiges erlebt und den Betrieb in der Spur gehalten. Derzeit behauptet sich seine Frächterei erfolgreich im Segment der internationalen Luftfrachtersatzverkehre auf der Straße – das aber hauptsächlich in den westeuropäischen Fahrtgebieten.

„Kleine Anbieter sind Garanten für  einen weiterhin stabilen RFS-Markt“ Bild: Böhm Wien Internationale Transporte betreibt eine RFS-Flotte mit 50 Lkw-Zügen.

LANGENZERSDORF. Mal sehen, ob der „Junior“ den Betrieb einmal weiterführt. Jedenfalls bot Wolfgang Böhm seinem Sohn bereits mehrere Male die Möglichkeit zur Mitarbeit im väterlichen Unternehmen. Bei diesen Berufspraktika gab es für ihn viel zu tun. Und ehe es sich der junge Mann versehen hatte, war der Arbeitstag vorbei. Am Abend befiel ihn mitunter eine bleierne Müdigkeit. „Da war dann Schlafen statt Fortgehen angesagt“, schmunzelt sein Vater, der den Betrieb seit den späten 1990er Jahren führt. Der Unternehmer wäre dankbar für jede tatkräftige Unterstützung in der Geschäftsleitung. Sein Aufgabengebiet ist in den letzten Jahren nicht einfacher geworden.

Zurückzuführen ist das einerseits auf die wachsenden Kundenansprüche. Die Auftraggeber des internationalen Transportunternehmens mit Betriebsstätte in Langenzersdorf bei Wien erwarten eine prompte und zuverlässige Beförderung ihre Stückgüter, Teil- und Komplettladungen. Dafür muss praktisch jede E-Mail in kürzester Zeit beantwortet werden. Ansonsten schnappen dem Team von Wolfgang Böhm die Mitbewerber die Frachten weg. Gleichzeitig schwindet die Kundentreue mit der Größe der Auftraggeber aus der Logistikbranche oder aus der verladenden Wirtschaft. Wenn es sein muss, wechseln die bekanntermaßen stark auf Kennzahlen fokussierten Konzerne heute von einem Tag auf den anderen ihre Partner für die Durchführung von Straßentransporten.

Andererseits haben die Behörden ihre Kontrollsysteme dahingehend optimiert, dass sie heute viele Abläufe im nationalen und internationalen Straßengüterverkehr fast schon in Echtzeit überprüfen können. Unter Berücksichtigung der verschärften Bestimmungen für die Lenk- und Ruhezeit ergibt das eine Situation, die einen privaten Transportunternehmer praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit fordert. So beschäftigt sich Wolfgang Böhm regelmäßig mit Verordnungen, Bescheiden und Strafverfügungen, die ihm und seinem Team das Leben schwer machen. Freilich darf dabei die Kundenbetreuung nicht zu kurz kommen. Schließlich sind sie es, von denen die Firma Böhm Wien Internationale Transporte lebt.

Große Bedeutung besitzen dabei gute Fahrer als Visitenkarte sowohl des Wiener Frächtereibetriebes als auch von dessen Kunden. Hierzu berichtet Wolfgang Böhm von einer interessanten Entwicklung. So wird von den „Kapitänen der Landstraße“ ein ordentliches Auftreten an den Be- und Entladestellen erwartet. Allerdings treffen sie genau dort auf ein freundlich ausgedrückt „unwirtliches“ Umfeld. Vielerorts ist die Behandlung der Fahrer „frostig“. Sie müssen sich vor Containern anstellen. Der Zugang in Gebäude und Sanitärräume bleibt ihnen verwehrt. Jedoch soll ihr Auftreten sauber und adrett sein. Das passt nicht zusammen. Die Folge davon sind der stetig steigende Altersschnitt bei den Berufskraftfahrern und die sinkende Bereitschaft für Beschäftigungsverhältnisse im Fernverkehr.

Doch genau diese „Spezialisten“ benötigt das im Jahr 1972 gegründete internationale Transportunternehmen heutzutage mehr denn je. „Es ist noch gar nicht so lange her, da lag unser Einsatzgebiet schwerpunktmäßig in Mitteleuropa“, bemerkt Wolfgang Böhm im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Doch hier sei für seinen Betrieb nichts mehr zu wirtschaftlich sinnvollen Konditionen zu holen. Stattdessen bilden heute die Luftfrachtersatzverkehre auf der Straße – im Fachjargon Road Feeder Services oder kurz gefasst RFS genannt – das Kerngeschäft des Familienunternehmens. Die Flotte bestehend aus 50 Lkw-Zügen mit Rollerbed-Ausstattung operiert hauptsächlich in Westeuropa, etwa auf den Verbindungen von und zu den Flughäfen Frankfurt am Main, Brüssel, Amsterdam Schiphol, London Heathrow und Paris CDG.

Am Flughafen Wien ist der Böhm-Fuhrpark weniger stark präsent als man annehmen möchte. Hauptursache dafür sind zwei große internationale RFS-Anbieter, deren Lkw-Züge von den europäischen Luftfracht-Drehscheiben ausgehend regelmäßig nach Österreich kommen und die hier mit einer aggressiven Preisgestaltung Retourladungen akquirieren. Doch das lässt Wolfgang Böhm unbeeindruckt, solange er andernorts eine ausreichende Zahl an Ladungen für seine RFS-Flotte findet. Außerdem sieht er sein Unternehmen als einen Garanten für weiterhin stabile Verhältnisse im Marktsegment der Luftfrachtersatzverkehre auf der Straße. „Würden die kleinen und mittelgroßen Anbieter in dieser Disziplin von der Bildfläche verschwinden, könnten die verbleibenden Großflottenbetreiber ein Preisdiktat auf die Fluggesellschaften und Luftfrachtspeditionen ausüben“, lautet seine Vermutung.

Vom Grundverständnis tritt die Firma Böhm Wien Internationale Transporte als „Fuhrwerksbetrieb“ mit dem Status als „Reglementierter Beauftragter“ auf. Mit Logistikdienstleistungen hat Firmenchef Wolfgang Böhm nichts am Hut, „weil das viele unserer Auftraggeber schlichtweg besser können“, wie er mit verblüffender Offenheit eingesteht. Dafür entwickelt sich das zweite Standbein seines Unternehmens, die Automaten-Tankstelle für Lkw in der Pappelstraße in Langenzersdorf, ausgesprochen positiv. Hier läuft alles vollautomatisch und ohne Personalaufwand. Es bleibt mit relativ wenig persönlichem Aufwand ein kleiner betriebswirtschaftlicher Nutzen, während das Güterbeförderungsgewerbe für ähnliche Ergebnisse allen Beteiligten eine enorme Einsatzbereitschaft abverlangt.

Dem Sohn von Wolfgang Böhm steht noch die ganze Welt offen. Er hat in drei Praktika im väterlichen Betrieb zumindest einen ungefähren Eindruck von einem beruflichen Engagement an der Spitze eines Straßentransportunternehmens gewonnen. Dieser Erfahrung folgten Tätigkeiten bei Firmen in anderen Branchen. Bei ihnen herrschte ein anderes Betriebsklima, das insbesondere auch auf die Befindlichkeiten und Wünsche der jungen Menschen Rücksicht nimmt. Wenn es so sein will, nutzt der junge Mann eine der sich ihm hier eröffnenden Chancen. Noch bleibt ihm ausreichend Zeit für die genaue Abwägung der Vor- und Nachteile einer derartigen Entscheidung. Sein Vater geht erst auf den „50er“ zu. Er besitzt noch genügend Kraft und Engagement für die Leitung des Betriebes. Das Bürogebäude wurde bereits vorsorglich um einen Zubau mit 150 m² Fläche erweitert und hat mit der Firma Assekuranz einen namhaften Mieter gefunden.

JOACHIM HORVATH

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