Cross Border eCommerce: 120 Mio. Euro Schaden durch Steuerbetrug in Österreich

Handelsverband fordert Einführung der digitalen Verzollung und einer Bearbeitungsgebühr für Drittstaat-Sendungen

Cross Border eCommerce: 120 Mio. Euro Schaden durch Steuerbetrug in Österreich

Jährlich gelangen 560 Mio. chinesische Pakete im Cross-Border-Handel über dominante chinesische Versandhändler in die Europäische Union. 97 Prozent dieser Sendungen kommen gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei in die EU und ein Großteil der restlichen 3 Prozent zumindest ohne Einfuhrzoll.

Möglich wird diese Steuerumgehung durch die EU-Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Postlieferungen aus Drittländern unter 22 Euro Warenwert sowie durch die Zollfreigrenze von 150 Euro. Viele asiatische Online-Händler nutzen diese Freigrenzen mit allen Mitteln aus, etwa indem sie Sendungen bewusst falsch deklarieren. 

„Den EU-Staaten entgehen dadurch Millionen an Steuereinnahmen, gleichzeitig werden heimische Händler aus dem Markt gedrängt, da die asiatische Konkurrenz ihre Billigprodukte noch günstiger anbieten kann. Das Schadensausmaß durch entgangene Umsatzsteuerzahlungen liegt in Österreich bei mehr als 120 Mio. Euro und europaweit bei rund 7 Mrd. Euro“, so Handelsverband-Vizepräsident Frank Hensel.

Die Dimensionen sind gewaltig: „Allein für Österreich gehen wir 2017 von rund sechs Mio. chinesischen Paketen aus. Heuer dürften es rund 7,5 Mio. Pakete werden, wenn wir nicht gegensteuern“, erklärt Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung der Unito-Gruppe und Leiter des Handelsverband-Ressorts „Versandhandel & E-Commerce“.

Der Handelsverband hat insgesamt zehn Testbestellung auf AliExpress durchgeführt. Sneakers, T-Shirts und Pullover mit einem Preis zwischen 30 und 49 Euro wurden online bestellt, das Ergebnis war jedes Mal gleich: die Produkte wurden nach etwa vier Wochen geliefert und der tatsächliche Warenpreis abgebucht. Allerdings war in jedem einzelnen Fall die Deklarierung am Etikett falsch, denn der Warenwert wurde immer unterhalb der Grenze von 22 Euro ausgewiesen.

„Alle  Deklarationen waren gefälscht, um die Einfuhrumsatzsteuer zu umgehen. Es handelt sich hierbei nicht mehr um ein Randproblem, sondern um ein kriminelles Massenphänomen. Im Übrigen waren viele der bestellten Produkte gefälscht, wie uns von Herstellerseite bestätigt wurde“, berichtet Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Hinzu kommt der Schaden durch Produktpiraterie: Allein der österreichische Zoll hat im vergangenen Jahr fast 250.000 gefälschte Produkte im Gesamtwert von mehr als 13,7 Mio. Euro beschlagnahmt. Damit hat sich die Zahl gegenüber 2016 um 237 Prozent erhöht.

Der Handelsverband empfiehlt fünf konkrete Maßnahmen, die für den heimischen Handel überlebenswichtig sind:

  • Maßnahme 1: Versteuerung & digitale Verzollung ab dem ersten Cent bei Einzelpaketversand in die EU
    Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bis 22 Euro sowie die Zollfreigrenze bis 150 Euro sollte so rasch wie möglich abgeschafft werden, um auch asiatische Online-Händler besteuern zu können. Dafür braucht es eine digitale Verzollung mit Vorab-Versandmeldungen nach Schweizer Vorbild, die auch bei wenig Personalressourcen in den Zollbehörden umsetzbar ist. „Angesichts jährlicher Wachstumsraten von 20 Prozent im chinesischen Cross-Border-Handel kommt die von der EU geplante Abschaffung Anfang 2021 leider viel zu spät“, so der Handelsverband.
  • Maßnahme 2: Einführung einer Bearbeitungsgebühr für Sendungen aus Drittstaaten
    Die Einführung einer digitalen Verzollung geht Hand in Hand mit der Einführung einer Bearbeitungsgebühr für Sendungen aus Drittstaaten, beispielsweise in Höhe von 6 Euro. Deutschland und Schweden haben eine derartige Vergebührung bereits angedacht, denn angesichts der stetig steigenden Paketvolumina ist eine Einzelpaketprüfung durch die Zollbeamten heute de facto unmöglich.
  • Maßnahme 3: EU-weit einheitliche Konditionen bei pauschaler Palettenverzollung
    Aktuell haben in der Europäischen Union drei Länder (Großbritannien, Tschechien und die Niederlande) extrem günstige Konditionen bei der Verzollung von Paletten aus Asien. Das sollte künftig europaweit einheitlich gestaltet sein, um eine drohenden Abwärts-Spirale zu verhindern.
  • Maßnahme 4: Online-Marktplätze zur Verantwortung ziehen
    Europäische Finanzbehörden sollten die Umsatzsteuer von Online-Händlern aus Drittstaaten notfalls direkt beim Marktplatz (z.B. Amazon Marketplace) einheben können, wenn diese den Handel unredlicher Unternehmer ohne Steuernummer über ihre Plattform nicht unterbinden.
  • Maßnahme 5: Einführung der virtuellen Betriebsstätte
    Durch die von der Bundesregierung und der EU-Kommission bereits angekündigte Einführung des Konzepts der digitalen oder virtuellen Betriebsstätte sollen künftig auch eCommerce-Plattformen ohne physische Präsenz in Österreich besteuert und damit die Körperschaftssteuervermeidung durch Digitalkonzerne gestoppt werden. Gerade bei der Ertragsbesteuerung ist ein nationaler Alleingang jedoch nicht unproblematisch, weshalb hier ein internationaler Schulterschluss – zumindest innerhalt der EU – zielführend ist.

    www.handelsverband.at

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