„Das Vereinigte Königreich ist unter den Top 10-Wirtschaftspartnern Österreichs. Das bilaterale Handels- und Dienstleistungsvolumen liegt bei rund 11 Mrd. Euro, heimische Betriebe sind dort mit 7 Mrd. Euro investiert und beschäftigen rund 40.000 Menschen. Daher berührt es uns, wenn die Briten aus der Europäischen Union austreten“, sagte Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und der Europäischen Wirtschaftskammer Eurochambers, bei einem Presssegespräch in Wien. Die österreichische Volkswirtschaft werde dennoch nur einen geringen Schaden aus dem Austritt Großbritanniens erleiden.
„Wie immer der Brexit umgesetzt wird, die heimischen Unternehmen müssen mit gravierenden Folgen rechnen“, warnte der österreichische Wirtschaftsdelegierte in London, Christian Kesberg. Für den Fall, dass die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen scheitern, würden die handelspolitischen Beziehungen zwischen Großbritannien und den EU-Mitgliedsstaaten auf WTO-Niveau zurückfallen, das heißt der Warenverkehr müsste wie mit jedem Drittstaat durchgeführt werden.
Auch wenn es im besten Fall ein Handelsabkommen gibt und Zölle damit weitgehend auf null gestellt bleiben, verteuern sich Warenlieferungen – etwa durch die Verlängerung der Transferzeiten und weil mit einem Drittstaat ein Zollverfahren abgewickelt werden muss.
Schwierigkeiten könnten auch bei Warenlieferungen entstehen, die sich zum Stichtag des „Brexit“ auf dem Transportweg oder in einem Zolllager befinden. Gleiches gilt für Rücksendungen von Waren, die erst nach dem Stichtag retourniert werden. „Die Unternehmen müssen sich auf alle Eventualitäten vorbereiten und schon jetzt überlegen, was zu tun sein könnte. Vieles kann, muss aber nicht eintreten“, so Christian Kesberg.
Zugleich wies der Wirtschaftsdelegierte darauf hin, dass die Chancen für österreichische Unternehmen intakt sind, wenn Betriebe sich rechtzeitig auf den Brexit einstellen: Das Vereinigte Königreich bleibe die zweitwichtigste Wirtschaft in Europa. Österreichische Unternehmen seien dort als Nischenplayer relativ gut abgesichert. Und auch nach WTO-Regeln ließen sich Spiele gewinnen.
„Für die österreichische wie die europäische Wirtschaft ist es wichtig, dass der wirtschaftliche Schaden des Brexit so gering wie möglich ausfällt und es auch in Zukunft einen möglichst weitreichenden Zugang zum britischen Markt ohne Bürokratie und ungerechtfertigte Handelshürden gibt“, sagte Christoph Leitl. Dies sei auch im Interesse Großbritanniens, das in etwa die Hälfte seines Außenhandels mit der EU abgewickelt. Umgekehrt entfallen nur etwa fünf Prozent des EU-Außenhandels auf das Vereinigte Königreich.