GALLBRUNN. Passt das zusammen und ergibt das einen Sinn? Diese Frage stellten sich viele Vertreter der österreichischen Logistikbranche, nachdem Franz Hofbauer im Vorjahr den Verkauf der Billitz GmbH an die Fracht FWO GmbH verlautbart hatte. Sein seit 1951 bestehendes Unternehmen war in der jüngeren Geschichte auf die Erbringung von Dienstleistungen in der Gefahrgutlogistik und Gefahrgutberatung spezialisiert. Hier lag und liegt der Fokus in der Gefahrengut-Klasse 1, in der die explosiven Stoffe sowie Feuerwerkskörper zusammengefasst sind, und im Segment der Dual Use-Güter. Hingegen ist die Fracht FWO in der Projektlogistik und im Segment Schwertransporte stark verankert. Da finden sich auf den ersten Blick wenig Anknüpfungspunkte für eine weitreichende strategische Zusammenarbeit.
Erst ein Gespräch mit Franz Hofbauer und Rudolf Bsteh bringt Licht in die Sache. Demnach bewegt sich die Billitz GmbH in einem zusehends internationaleren Marktsegment. Bei einigen Kunden haben sich in den letzten Jahren die Eigentumsverhältnisse geändert. Die neuen Besitzer sind internationale Konzerne. In ihren Organisationen herrscht ein permanenter Wettbewerb zwischen den Produktionsstandorten. Da kann ein Werk in Zentraleuropa rasch aus dem Rennen fallen. In dieser Region ist die Spedition Billitz mit ihren insgesamt 11 Mitarbeitenden an den Standorten Gallbrunn (Zentrale), Hirtenberg und Papa in Ungarn stark verankert. Aber was soll das Team tun, wenn ein Stammkunde die Fertigung aus Kostengründen in ein weiter entfernteres Land verlagert?
Die Fracht FWO GmbH, deren Anteile zu 60 Prozent von der Schweizer Fracht AG und zu 40 Prozent von der Gebr. Schwaiger GmbH mit Sitz in Weer in Tirol gehalten werden, ist ein sehr stark international ausgerichtetes Unternehmen. Ihr Mehrheitsgesellschafter tritt seit der Gründung durch die Familie Reisdorf im Jahr 1955 in der globalen Projektlogistik auf. Aus kleinen Anfängen heraus entwickelte sich ein internationales Unternehmen mit derzeit rund 2.000 Mitarbeitenden in 120 Niederlassungen – darunter 25 eigene Häuser in Afrika – und rund 700 Mio. Euro Jahresumsatz. In den 1970er und frühen 1980er Jahren betreute die Fracht Group mehrere Großprojekte in Österreich. Deren Fortsetzung geriet aufgrund der fehlenden Wertschöpfung im Land in Gefahr.
Vor diesem Hintergrund hob die Familie Reisdorf im Jahr 1983 die Fracht FWO GmbH mit Firmensitz in Wien aus der Taufe. Die Spedition gilt heute als ein maßgeblicher Anbieter von Lösungskonzepten in den Bereichen Projektlogistik sowie Schwertransporte in Österreich. Ihr von 12 Mitarbeitenden gebildetes Team erwirtschaftet je nach Auftragslage und Zeitpunkt der Rechnungslegungen 10-12 Mio. Euro Umsatz im Jahr. Seit 2001 ist das Unternehmen am Flughafen Wien angesiedelt. Von hier liegt der Billitz-Standort in Gallbrunn nur wenige Kilometer entfernt. Das erleichtert Geschäftsführer Rudolf Bsteh, der seit September 2019 auch die Funktion als Obmann in der Fachgruppe Spedition in der Wirtschaftskammer Niederösterreich ausübt, das Management der deutlich gewachsenen Österreich-Organisation.
Bei der Fracht AG verfolgt man weiter eine Wachstumsstrategie. Dafür erachten die Verantwortlichen den Ausbau des Leistungsspektrum für sinnvoll. Das soll in Nischensegmenten erfolgen, aus denen sich die internationalen Systemspeditionen heraushalten. Das Kerngeschäft der Billitz GmbH passt hier gut hinein. Dies auch deshalb, weil bei einer wachsenden Zahl von Großprojekten einige Gefahrguttransporte anfallen. Ihr Anteil macht zwar nur einen Bruchteil von der Gesamttonnage der Aufträge aus. Trotzdem ist das professionelle Handling der Sendungen unerlässlich. Dabei war das Team der Fracht FWO GmbH bisher auf externe Unterstützung angewiesen. Fallweise erhielt auch die Billitz GmbH Aufträge.
Franz Hofbauer wird in diesem Jahr 65 Jahre alt. Er besitzt 50 Jahre Berufserfahrung in der Speditionsbranche und suchte schon seit einiger Zeit eine vernünftige Nachfolgeregelung für die Billitz GmbH. Theoretisch hätte das eine Weitergabe des Unternehmens in der eigenen Familie sein können. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen ist die Billitz GmbH jetzt Teil einer Schweizer Logistikgruppe in Familienbesitz, in die sie ihr Know-how in den Bereichen Gefahrgutlogistik und –beratung einbringen kann und die ihr umgekehrt die Realisierung von weltweiten Transportlösungen für gefährliche Güter innerhalb eines weitverzweigten Netzwerks in Eigenverantwortung ermöglicht.
„Billitz ist ein gut eingeführter Name, den wir jetzt weltweit etablieren wollen“, sagt Rudolf Bsteh im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Soll heißen: Das Unternehmen bleibt in der bisherigen Form bestehen und behält auch den Firmennamen. Franz Hofbauer hat die Geschäftsführung in Österreich zum Jahresende 2019 zurückgelegt und tat dies per Ende Februar 2020 auch in der ungarischen Niederlassung. Auf dem zwei Hektar großen Firmenareal in Gallbrunn wurde zuletzt das Bürogebäude erweitert. Außerdem gibt es Überlegungen für den Ausbau der Hallen- und Freilagerflächen, die in Zukunft eine verstärkte Nutzung für Tätigkeiten im Bereich des Containerstauens finden sollen.
Damit man Gefahrguttransporte zügig durchführen kann, ist einerseits ein Full Service unter Berücksichtigung aller Teilaspekte in der Logistikkette erforderlich. Als mindestens ebenso wichtig bezeichnen Franz Hofbauer und Rudolf Bsteh die enge Zusammenarbeit mit den Behörden, ohne deren Unterstützung in diesem Segment des internationalen Speditionsgewerbes wenig geht. Das alles beherrscht die Billitz GmbH, und davon sollen in Zukunft auch die Kunden der Fracht FWO GmbH und der Fracht AG profitieren. Daher gibt es für die neue Unternehmensformation auf dem österreichischen Markt der Transportlogistik jetzt nur eine Devise, nämlich das Streben nach einer gesunden und nachhaltigen Expansion.
JOACHIM HORVATH