WIEN. Etwas ist der neuen Marke in der österreichischen Stückgutlogistik bereits gelungen. Die Mitbewerber beschäftigen sich mit der BEXity GmbH. Doch das kann Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt sowie Christoph Großekämper, Head of M&A DACH-Region Mutares SE, herzlich egal sein. Gemeinsam empfangen sie den Berichterstatter zur Vorstellung des Unternehmens, dessen 850 Mitarbeitende täglich rund 10.000 Sendungen bewegen. In der Kontraktlogistik stehen große Lagerstandorte mit einer Kapazität für 110.000 Paletten bereit. In dieser Sparte hätte das Unternehmen der Mutares SE in den letzten Monaten Geschäfte mit einem Zusatzvolumen von 60.000 Positionen akquirieren können, wenn der Platz dafür vorhanden gewesen wäre.
Bis Dezember 2019 gehörte das BEXity-Vorgängerunternehmen Q Logistics der ÖBB Holding AG. Ein Jahr davor wurde die 2016 besiegelte strategische Zusammenarbeit mit Quehenberger Logistics beendet. Man kann sagen, in den letzten vier Jahren ist beim Marktführer im Bereich der Stückgutlogistik in Österreich einiges schief gelaufen. Das führte zum Wegfall von wertschöpfender Tiefe wie zum Beispiel den Verlust von Terminalstandorten mit Anschlussgleisen oder Straffungen im Fuhrpark. Auch bei der Weiterentwicklung der IT-Systeme zur Steuerung der operativen Prozessketten funktionierte nicht alles nach Plan. Doch genau das weckte das Interesse der Spezialisten der Beteiligungsgesellschaft Mutares SE.
Mit dem Namen des neuen Eigentümers des zum Jahreswechsel 2019/2020 von Q Logistics in BEXity GmbH umfirmierten Anbieters von umfassenden Dienstleistungen in der nationalen/internationalen Stückgutspedition und Kontraklogistik kann in Österreich kaum jemand etwas anfangen. Kritische Geister entwerfen schlimme Szenarien, obwohl ihnen das Geschäftsmodell der in München ansässigen Industrieholding fremd ist. Jedoch schwärmt Christoph Großekämper bei einem Gespräch in der BEXity-Zentrale in der Pottendorfer Straße im 12. Wiener Gemeindebezirk von den wunderbaren Kundenbeziehungen und vom tollen Netzwerk des Logistikunternehmens. „Es war eine einmalige Gelegenheit eine solche flächendeckende Struktur in Österreich zu erwerben. Wir haben eine sehr motivierte Belegschaft und Standortleiter vorgefunden und wollen gemeinsam mit dem Management das Momentum nutzen, um die notwendigen Maßnahmen umzusetzen. Alles mit dem Ziel die Qualität für den Kunden zu verbessern“, sagt er.
Bei Mutares vermutet man gute Chancen in den Segmenten Stückgut, Warehousing und Frächterei. Und was viel wichtiger ist: Man schätzt Unternehmen, bei denen historische Fehler begangen wurden. Bei derartigen Akquisitionen bestünden in den meisten Fällen tolle Möglichkeiten zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Prozesse, lautet die Kernbotschaft aus München. Mit diesem auf ein konsequentes Change Management gestützten Ansatz wurde in den letzten fünf Jahren der Umsatz des Automobilzulieferers sts Group auf 360 Mio. Euro vervierfacht und das Geschäftsvolumen der Donges Group (Steel Construction & Engineerging) um den Faktor neun auf 365 Mio. Euro gesteigert.
Bei der BEXity GmbH verantwortet die von Anna-Theresa Korbutt (Sales & Marketing), Dr. Christian Klingler (Finance) und Florian Zehetleitner (Operations) gebildete Geschäftsführung ein Umsatzvolumen von knapp 230 Mio. Euro in Österreich. Hinzu kommen rund 20 Mio. Euro von der tschechischen Landesgesellschaft, bei der aktuell 70 Mitarbeitende beschäftigt sind. In allen anderen Ländern bestehen Kooperationen mit einem von Geis, Nörpel/Ascherl und Raben Logistics gebildeten Speditionstrio. BEXity stützt sich auf ein seit 1986 bestehendes dicht gestaffeltes Stückgutnetz in Österreich, mit dem das Unternehmen knapp 30 Prozent des Marktes besetzt. Die internationalen Verkehre betrachtet das Management als ein stark ausbaufähiges Feld, für das man Spezialisten mit guten Fremdsprachenkenntnissen sucht.
Zuvor müssen aber noch einige Hausaufgaben in Österreich erledigt werden. Dafür durchläuft die BEXity GmbH einen Transformationsprozess, an dessen Ende in zwei bis drei Jahren die vom Eigentümer Mutares erwarteten Ergebniskennzahlen stehen sollen. „Uns ist in den letzten zwei Jahren schon viel gelungen“, betont Anna-Theresa Korbutt im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Dabei bezieht sie sich auf die markante Verbesserung der Qualitätsperformance im Segment Stückgut, wo man jetzt mit einem Wert von 98 Prozent das Niveau der stärksten Mitbewerber erreicht habe. „Auch bei der Preisgestaltung zeigt der Pfeil nach oben. Doch es gibt ganz bestimmt noch viel weiteres Verbesserungspotenzial“, ist sie überzeugt.
An dieser Stelle sieht Christoph Großekämper den richtigen Zeitpunkt für die Erläuterung des Geschäftsmodells der Mutares SE. Demnach handelt es sich bei der süddeutschen Beteiligungsgesellschaft nicht um eine der gefürchteten „Heuschrecken“, sondern um eine Industrieholding mit operativen Ansätzen. Das speziell dafür ausgebildete Team von 70 Mitarbeitenden besitzt fundierte Kenntnisse in den Bereichen Vertrieb, Procurement, IT, Finanzen, Lean Management, Produktion, Projekt Management, Personal sowie Supply Chain Management, welche in die Organisationen der Tochtergesellschaften einfließen. Das beschleunigt die Transformation der Unternehmen und schafft so die Grundlage für stabile Geschäftsbeziehungen.
In der Startphase besitzt für Anna-Theresa Korbutt und Christoph Großekämper die rasche Steigerung des Bekanntheitsgrades der Marke BEXity und die Vermittlung des Gefühls der operativen Sicherheit für die Kunden aus der verladenden Wirtschaft die höchste Priorität. Damit verbunden ist die Abnabelung von den Strukturen im ÖBB-Konzern, um flexibler als bisher agieren zu können. Bei den Branchen greift eine Fokussierung auf Weißwaren, Baustoffe und FMCG/Food Platz. In den 17 Standorten sieht man eine Garantie für die Bereitstellung eines einzigartigen und qualitativ hochwertigen 24-Stunden-Lieferservice für Stückgüter in Österreich.
Für Anna-Theresa Korbutt markiert die Bereitstellung der zahlreichen Zwischenlager-Standorte das denkbar attraktivste Modell für eine tragfähige Stückgutlogistik im Bundesgebiet. Für sie steht und fällt das weitere Wachstum des Online-Handels mit der Gewährleistung der weiterhin schnellen Lieferfähigkeit. Daran müssten sich auch die traditionellen Industrie- und Handelsstrukturen orientieren, lautet ihre Einschätzung. Außerdem sollte BEXity das steigende Umweltbewusstsein bei vielen Unternehmen und die Entwicklung der Dieselpreise und Lkw-Mauten zum Vorteil gereichen. Dies spielt eine große Rolle für viele maßgebliche Warehouse-Kunden – insbesondere auch im Lebensmittelsegment.
Umso wichtiger sind für sie stabile Partnerschaften mit gut aufgestellten Anbietern von Dienstleistungen für die Stückgutlogistik, Warehousing und Kontraktlogistik. Damit könne BEXity von der ersten Minute des neuen Marktauftritts aufwarten, bemerken Anna-Theresa Korbutt und Christoph Großekämper übereinstimmend. Daran geknüpft ist der Anspruch auf eine Wachstumsstrategie, die Mutares mit weiteren Firmenzukäufen zügig vorantreiben will. Im Fokus stehen Unternehmen in der Bandbreite von 50-200 Mio. Euro Jahresumsatz, deren Geschäftsmodelle sich gut in die BEXity-Strategie einfügen. Wenn diese über Lagerkapazität im Osten des Bundesgebiets verfügen, umso besser. Dafür hat die Mutares SE am 31. Jänner 2020 eine vorrangig besicherte Anleihe mit 50 Mio. Euro Emissionsvolumen, die man für den Erwerb von profitablen Zukäufen im Unternehmens-Portfolio verwenden will, um so Synergien zu heben und die Leistungsfähigkeit noch schneller voran zu treiben.
Egal wie es mit der BEXity GmbH weitergeht, ihr Geschäftsmodell bleibt auf die Stückgutlogistik fokussiert. „Das ist der Fixkostentanker, den wir möglichst effizient betreiben müssen“, spricht Anna-Theresa Korbutt klare Worte. Die Kontraktlogistik ist für sie „der notwendige Bypass über den wir unserem Netzwerk die erforderlichen Sendungen zuführen“. Nur mit dieser Kombinationen könne sich das Unternehmen langfristig in einem Marktsegment behaupten, dem nach ihrer Einschätzung der Sachlage eine weitere Konsolidierung der Anbieter ins Haus steht. Aus diesem Prozess soll die BEX-
ity GmbH gestärkt hervorgehen, lautet die unmissverständliche Botschaft der Mutares SE. Sie soll Vertrauen schaffen und der verladenden Wirtschaft die Entscheidung für eine langfristige Zusammenarbeit mit der neuen Tochtergesellschaft in Österreich erleichtern.
JOACHIM HORVATH