WIEN. Auf jeden Fall fühlt sich Nicole Lurger jetzt wohler in ihrer Haut. Es ist bald zwei Jahre her, dass die gelernte Spediteurin den Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit gewagt hat. Als „One-Woman-Show“ arbeitete sie zunächst von einem Büro in ihrer Wohnung aus. Das war praktisch, weil sie sich so zwischendurch auch um ihre beiden Söhne, den 3 Jahre alten Maximilian und den 5 Jahre alten Felix, kümmern konnte. Sobald die beiden Knaben abends eingeschlafen waren, folgte obligatorisch eine berufliche „Nachtschicht“. Aber spätestens um 2 Uhr in der Früh war Schluss. Schließlich standen ja schon wenige Stunden später die nächsten mütterlichen und unternehmerischen Pflichten an.
„Man kann als Frau viel bewegen“, ist Nicole Lurger überzeugt. Das hat die Jungunternehmerin aus Leonding bei Linz in 2018 eindrucksvoll bewiesen. Im Jänner erhielt sie dafür eine Auszeichnung im Rahmen des Wettbewerbs „Frauen in der Wirtschaft“. Dieser Preis würdigt neben ihrem beruflichen Wirken insbesondere auch ihr Organisationstalent. Denn trotz großer Einsatzbereitschaft bei der Erledigung der täglichen Aufgabenstellungen bedarf es für eine alleinerziehende Mutter in Österreich schon mehr, um als Speditionsunternehmerin wirtschaftlich gut über die Runden zu kommen. Ohne die tatkräftige Unterstützung durch die Großeltern wären der „Newcomerin“ mit Fokussierung auf Dienstleistungen für Auftraggeber aus den Branchen Maschinen- und Anlagenbau Grenzen gesetzt.
Dabei habe bei ihren Eltern zunächst die Skepsis überwogen, ob ihre Entscheidung für einen beruflichen Neuanfang wirklich so eine gute Idee ist, sagt Nicole Lurger im Rückblick. Zwar zweifelten sie nicht an ihrer Fachkompetenz. Diese hat sie sich in zwölf Jahren Tätigkeit bei einem namhaften internationalen Logistikunternehmen angeeignet. Danach folgten sechs Jahre bei einer mittelständischen Spedition, wo sie in eine ganz andere und vielleicht noch intensivere Welt eintauchte. Jedoch hielt sie nach der Geburt ihres zweiten Sohnes eine Neugestaltung ihrer Arbeitsabläufe für dringend erforderlich. Damit ihre Aufgaben als Mutter nicht zu kurz kommen, benötigte sie mehr Flexibilität – und das ließ sich mit den Vorstellungen ihres letzten Arbeitgebers schwer in Einklang bringen.
Mittlerweile ist Nicole Lurger dankbar ob der Tatsache, dass sich alles so ergeben hat. „Ohne meine beiden Söhne wäre es wahrscheinlich nie zur Firmengründung gekommen“, räumt die Jungunternehmerin im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung ein. Als Vorteil erwies sich ferner ihre Bekanntheit in den Kreisen der oberösterreichischen Maschinen- und Anlagenbauindustrie. Man vertraute ihrer Kompetenz und sah dabei auch über die Rechtsform des neuen Anbieters hinweg. Es gibt einfachere Aufgaben als die Buchung von Frachtraum auf einem konventionellen Hochseeschiff durch ein eingetragenes Unternehmen, das mittlerweile die Umwandlung in die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durchlaufen hat. Da stellten sich manche Gesprächspartner schon die Frage, wie Nicole Lurger die beträchtlichen Vorfinanzierungen darzustellen vermag.
Dabei kam der Jungunternehmerin die Partnerschaft mit einem Salzburger Unternehmen zugute. Gemeinsam mit einer seit 1960 bestehenden Hamburger Speditionsgesellschaft managte sie die ersten Projekte zuverlässig und zur vollsten Zufriedenheit der Auftraggeber. Dabei punktete sie einerseits mit ihrer Schnelligkeit. Projektverlader erhalten bei FML logistics – die Firmierung steht für Felix Maximilian Lurger – innerhalb von wenigen Stunden detaillierte Preisangebote. Andererseits erhalten sie bei allen Projekten oder Schwergutverladungen einen Komplettservice.
Nicole Lurger will ihr Unternehmen als Marke für Projektverladungen etablieren. Oberösterreich mit seinen zahlreichen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen eignet sich dafür wie nur wenige andere Regionen im Bundesgebiet. Zur Umsetzung ihrer Pläne würde sich die Spediteurin gerne eine/n Partner/in an Bord holen, der so wie sie handelt und agiert. Das gilt insbesondere für das Management von durchgängigen Transportketten bis zu den Zielorten. Hier gereiche FML logistics die Schnelligkeit und Flexibilität zum Vorteil, wohingegen diese Eigenschaften bei den Großspeditionen meistens bei der Lieferkondition CFR endeten. Um noch leistungsfähiger agieren zu können, hat sie kürzlich das Seefracht-Programm der Firma dbh Logistics IT AG in Bremen implementiert.
JOACHIM HORVATH