WIEN. Diese Frage war aufgelegt. Ob sich Quehenberger Logistics mit der Fokussierung auf die fünf Schwerpunktbranchen Einzelhandel (Retail), Konsumgüter, Fashion, Automotive und Reifen einen guten Dienst erweise, wollte der Berichterstatter einer deutschen Fachzeitung wissen. Daran geknüpft war dessen Befürchtung, wonach sich der in Strasswalchen im Salzburger Flachgau ansässige Full-Service-Logistics-Provider und Spezialist für ganzheitliche Logistiklösungen für Industrie und Handel mit aktuell 3.050 Mitarbeitenden (davon 900 Beschäftigte in Österreich) an 85 Standorten in 20 Ländern in Zentral-, Ost- und Südosteuropa mit dieser Strategie interessanter Wachstumschancen berauben könnte. So gestalte sich gemäß seinem Ermessen die Akquise von Neukunden schwierig.
Christian Fürstaller, CEO von Quehenberger Logistics, konnte den Redakteur beruhigen. Zwar war 2018 für sein Unternehmen ein Jahr „mit einem nicht so schönen Ergebnis“. Jedoch wurde das Portfolio bereinigt, die Positionierung als Branchenlogistik-Spezialist ausgebaut und die Digitalisierung der Geschäftsprozesse mit Nachdruck vorangetrieben. Man werde die Abwicklung und Administration von sämtlichen Abläufen mit den Lieferanten und Kunden bis 2020/21 völlig automatisieren und so schnellere sowie qualitativ noch bessere Dienstleistungen erbringen, kündigte er an. Davon betroffen seien alle vier Hauptgeschäftsfelder (FTL/LTL, Kontraktlogistik, Air + Ocean, Branchennetzwerke), wobei diese Umstellung von der Ablöse der bisherigen Regionalmanagement- durch eine Produktmanagent-Struktur begleitet werde.
In den Kernbranchen sieht Christian Fürstaller für Quehenberger Wachstumschancen für die nächsten 50 wenn nicht sogar 100 Jahre. Falls überhaupt, kann sich der gelernte Spediteur die Etablierung einer weiteren Sparte für Getränke- und Gastronomielogistik vorstellen. Gegessen und getrunken werde immer, lautet sein diesbezüglicher Standpunkt. Ansonsten schlummere in den Bestandsgeschäften mit den mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen mit Bedarf an qualitätsorientierten Systemlösungen in der Branchenlogistik noch so viel Potenzial, dass er mit großer Zuversicht in die Zukunft blicke. Noch dazu sei man gerade mit der Implementierung von mehreren Großprojekten beschäftigt und werde schon sehr bald die „Schallmauer“ von 500 Mio. Euro Jahresumsatz durchbrechen.
Neun von zehn Neugeschäften von Quehenberger Logistics liegt die Vertiefung der Zusammenarbeit mit Bestandskunden zugrunde. Indem man die Unternehmen entweder in neue Segmente oder in weitere Regionen in Zentral-, Ost- und Südosteuropa begleitet, wächst die Relevanz als Partner für die Durchführung von Aufgabenstellungen in den Bereichen Transport und Logistik. Besonders erfolgreich kommt dieser Ansatz momentan in den Geschäftsfeldern Air + Ocean und Kontraktlogistik zum Tragen. Letzteres verzeichnete von 2017 auf 2018 eine Zunahme der bewirtschafteten Warehousefläche um 58 Prozent von 260.000 m² auf 410.000 m² und strebt im laufenden Jahr eine Angebotserweiterung auf mehr als 500.000 m² an. Dabei sei man hier in 2009 mit gerade einmal 15.000 m² Lagerfläche an den Start gegangen, gab Christian Fürstaller vor der Presse zu bedenken und kündigte die Eröffnung eines Reifenlogistik-Standortes in Göteborg (Schweden) im Juni 2019 an.
Auch in der internationalen Luft- und Seefrachtspedition verzeichnet das Unternehmen ein dynamisches Wachstum. Der Einstieg in dieses Kerngeschäft erfolgte im Mai 2015 mit einem fünfköpfigen Team. Hier sind aktuell 45 Mitarbeitende beschäftigt, die in 2018 rund 28.000 TEU Seefracht disponiert und 48 Mio. Euro Umsatz erzielt haben, wie Christian Fürstaller gegenüber der Zeitschrift LogEASTics einräumte. Mit drei Standorten in Österreich samt lokaler Vertriebsunterstützung durch die Landesgesellschaften und Büros in den Seehäfen Koper, Constanza, Hamburg und St. Petersburg sieht er Quehenberger Logistics im Segment der Überseespedition so gut aufgestellt, dass man hier keine nennenswerten Ergänzungen plane.
Immer mehr zu einer Erfolgsgeschichte geraten bei Quehenberger Logistics die Länder in Zentral- und Osteuropa. Sie steuerten im Vorjahr erstmals mehr als die Hälfte – genau 51 Prozent – zum Jahresumsatz bei. In diesem Zusammenhang berichteten Christian Fürstaller und CFO Rodolphe Schoettel von großen Fortschritten in der Kontraktlogistik. So wurde in Rumänien ein neuer Standort mit 44.000 m² Lagerfläche für einen namhaften DIY-Händler eröffnet. Der Markteintritt in Kasachstan ging einher mit der Begleitung eines großen Reifenkunden nach Zentralasien, wo man jetzt als Partner für die Import-, Lager- und Distributionslogistik auftritt. In Russland organisiert Quehenberger Logistics neu von einem 45.000 m² großen Warehouse im Raum Moskau aus die komplette Werksversorgung für einen renommierten Automobilhersteller. In Polen gibt es jetzt eine Niederlassung für die Betreuung von regionalen „Key Accounts“ beziehungsweise für die Koordination der Partnerschaften mit den nationalen sowie ukrainischen Straßentransportunternehmen.
Neben diesen „Highlights“ war 2018 auch ein Jahr gekennzeichnet von der Beseitigung von Schwachstellen und der Neugestaltung von Strukturen in Geschäftsfeldern mit einem in der bisherigen Ausprägung unzureichenden „Set-up“. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde die Niederlassung im deutschen Dormagen geschlossen. Der Tagexpress-Service von Q Logistics mit rund 8 Mio. Euro Jahresumsatz erfuhr kürzlich eine Integration in das Netzwerk des Nachtexpress-Spezialisten Nox Nachtexpress, woraus für beide Unternehmen ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht. Nur in Kärnten betreut Quehenberger Logistics dieses Business weiterhin in Eigenregie.
Bleibt noch die am 17. Dezember 2018 vollzogene einvernehmliche Trennung der Partnerschaft mit der ÖBB Holding AG bei der Q Logistics GmbH zu erwähnen. Hier habe man ursprünglich große Chancen für die Schaffung einer starken Marke in der Stückgutlogistik in Österreich und Zentraleuropa gesehen. Diese Erwartungen hätten sich aufgrund der unterschiedlichen Kulturen, Philosophien und Geschwindigkeiten der beiden Gesellschafter leider nicht erfüllt, berichtete Christian Fürstaller. Was bleibt, ist eine weiterhin enge Kooperation, in die Quehenberger Logistics rund 90 Mio. Euro Jahresumsatz einbringt, weshalb man dem Unternehmen auch im eigenen Interesse eine gute Entwicklung für die Zukunft wünscht.
JOACHIM HORVATH