„Wir haben Verständnis, dass die Politik die Ausbreitung der Virus-Mutationen eindämmen will. Wenn dafür nun aber auch dem Güterverkehr massive Hindernisse in den Weg gelegt werden, dann widerspricht das jeglichen zuvor getroffenen Vereinbarungen“, kritisiert Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), die Vorgangsweise Deutschlands an den Grenzen zu Tirol.
Auch die Interessensvertretung der Logistik- und Speditionsbranche ist äußerst besorgt über die Folgen der verschärften Einreisebestimmungen für die Tschechische Republik, die Slowakei und Teile Tirols nach Deutschland, die seit 14. Februar in Kraft sind. Die Beschäftigten im Verkehrssektor müssen ihren Eintrag mit sofortiger Wirkung registrieren – auch wenn sie nur die Regionen durchqueren, die Deutschland jetzt als „Virenvariante“ deklariert hat – und einen zertifizierten negativen PCR-Test vorlegen.
Diese neuen Maßnahmen haben bereits zu unmittelbaren Engpässen an den Grenzen, umfangreichen Umwegen und damit zu schwerwiegenden Störungen der Lieferketten geführt. „Wir müssen aus den Lehren der ersten Welle lernen und sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten die in der EU vereinbarten Green Lanes für den Güterverkehr respektieren, anstatt zu einer nationalen Politik der Grenzschließung zurückzukehren“, warnt ZV-Präsident Alexander Friesz.
Österreich hat bereits auf die restriktiven deutschen Einreisebestimmungen reagiert und den Güterverkehr aus Italien über den Brenner massiv eingeschränkt. „Eine Kettenreaktion und eine Eskalation der nationalen Einreisebeschränkungen werden verheerende Auswirkungen auf die Lieferketten haben“, stellt Alexander Friesz fest und fügt hinzu, dass das Fehlen von Covid-19 Testeinrichtungen an den Grenzen zusätzlich enorme Schwierigkeiten für Lkw-Fahrer und damit für die Lieferketten mit sich bringt.
Trotz der Koronarkrise konnte die Logistikbranche, dank ihrer Flexibilität und der Green Lanes Regelungen, die Versorgung mit Gütern – unter erschwerten Bedingungen – bisher noch sicherstellen. Die Europäische Kommission hat die Systemrelevanz der Güterverkehrs- und Logistikbranche in der Pandemie explizit hervorgehoben und festgehalten, dass diese Branche nicht verpflichtet werden sollte, vor der Einreise in andere EU-Länder negative PCR-Tests durchzuführen oder bei der Ankunft unter Quarantäne gestellt zu werden, um die Lieferketten nicht zusammenbrechen zu lassen.
Der Zentralverband Spedition & Logistik fordert deshalb die österreichische Bundesregierung, hier besonders die für Güterverkehr zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler und Außenminister Alexander Schallenberg, dazu auf, die Leitlinien der Kommission in Österreich einzuhalten und dem slowakischen Beispiel zu folgen und in Deutschland und Bayern Protest gegen die dort gesetzten Maßnahmen einzulegen. Der slowakische Außenminister Ivan Korcok hat bereits offiziell beim deutschen Außenminister Heiko Maas gegen Reisebeschränkungen für Lastwagenfahrer interveniert.
„Die Logistikbranche hat konsequent gehandelt, ihre Mitarbeiter arbeiten dort, wo es möglich ist von zu Hause aus und setzen umfassende Hygienekonzepte überall dort um, wo Menschen vor Ort zusammenarbeiten müssen, um die Lieferkette zu erhalten. Da Lkw-Fahrer während ihres grenzüberschreitenden Betriebs kaum mit anderen Menschen in Kontakt kommen und sich dort wo es unumgänglich ist an AHA Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten und im Alltag Maske) halten, gefährden die neuen Einreisebestimmungen die Versorgungssicherheit und schaden den Volkswirtschaften in Krisenzeiten“, so Alexander Friesz.
Um trotz der Coronakrise den freien Warenverkehr und damit die Grundversorgung der Menschen in der gesamten EU zu gewährleisten, hat die EU-Kommission vergangenen März Leitlinien für die Grenzverwaltung herausgegeben. Die Mitgliedstaaten wurden darin aufgefordert, alle relevanten Grenzübergänge an den Binnengrenzen des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) als Grenzstellen mit „grüner Fahrspur“ zu benennen. „An diesen Green Lane-Übergängen sollte der Lkw-Verkehr Vorfahrt haben und damit der gesamte Aufenthalt an der Grenze maximal 15 Minuten dauern. Mit den jetzigen Kontrollen, ob jeder einzelne Lkw-Fahrer einen negativen Test hat und ob er auch online vorangemeldet ist, sind Staus an den Grenzen hingegen vorprogrammiert“, so Alexander Klacska.
Zudem sieht der Bundesspartenobmann einen Widerspruch zum europäischen Gedanken des freien Warenaustauschs. Die Konsequenz könne eine Gefährdung von Lieferketten sowie der gesamten Versorgungssicherheit sein. „Welcher Schaden damit angerichtet wird, ist noch gar nicht absehbar. Wir fordern daher die Einhaltung der europäischen Vorgaben, anstatt Schikanen für genau jene, die seit März die Versorgungssicherheit aufrecht erhalten“, sagt Alexander Klacska.