SALZBURG. Was bleibt ihnen anderes übrig? Es gibt Schätzungen, wonach in Europa im Jahr 2020 rund 150.000 Lkw-Fahrer fehlen. Wenn das eintritt, und viele Anzeichen deuten darauf hin, sollten die Transportlogistikunternehmen rasch umdenken. Wobei sich die Frage stellt, ob die Züge für jene Marktteilnehmer, die das bisher verabsäumt haben, nicht schon abgefahren sind. Jedenfalls sinkt das Interesse an Langstrecken-Fahrerjobs rapide. Hauptgründe dafür sind der enorme Zeitdruck am Arbeitsplatz, sprich im Fahrerhaus, und die immer strenger gefassten Sozialvorschriften. Außerdem fehlen in ganz Europa Lkw-Parkplätze. Das macht die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten für „Kapitäne der Landstraße“ zu einem Spießrutenlauf.
Franz Blum war schon immer ein Visionär. Der Salzburger Unternehmer ist vor knapp 30 Jahren mit dem Anspruch der Etablierung einer internationalen Transportlogistikorganisation angetreten, deren kumulierte Gesamtleistung einmal die Wegstrecke bis zum Sternbild Vega erreichen soll. Das ist natürlich eine Utopie, aber darüber lässt sich wunderbar diskutieren. Unabhängig davon entwickelt sich die in Wals-Siezenheim ansässige Vega International Car Transport and Logistic Trading Gesellschaft m.b.H. prächtig. Ihre 200 administrativen Mitarbeitenden an 13 Standorten in Europa haben im Jahr 2018 rund 95.000 Stück Lkw, Busse, Trailer und Sonderfahrzeuge bewegt. Daraus resultierte ein Umsatz in Höhe von 89 Mio. Euro. Im laufenden Jahr steht das Durchbrechen der „Schallmauer“ von 100 Mio. Euro Umsatz auf dem Plan.
Es wäre vermessen zu glauben, man müsse dafür nur die bewährten Konzepte adaptieren. Wer so denkt, gerät schnell zu einer Randnotiz in der schnelllebigen medialen Berichterstattung. Davon sind Franz Blum und sein für die Steuerung der operativen Aktivitäten bei Vega International verantwortlicher Bruder Peter Blum weit entfernt. Letzterer steht beim diesjährigen Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung ein wenig unter Spannung. „Wir bearbeiten gerade zwei große internationale Ausschreibungen. Der Aufwand dafür ist beträchtlich“, erklärt er. Das hängt auch damit zusammen, dass ein Spezialist auf dem Gebiet der maßgeschneiderten Logistikkonzepte für die Nutzfahrzeugindustrie heutzutage schon mehr bieten muss als Transporte auf eigener Achse.
Damit hat bei Vega International vor 29 Jahren alles begonnen. Mittlerweile ist das Familienunternehmen Marktführer in dieser Disziplin. Die Transporte auf eigener Achse machen nur mehr einen Bruchteil der Geschäftstätigkeit aus. An ihre Stelle sind hochkomplexe Logistikketten unter Einbindung aller Verkehrsträger getreten. Dabei wird nach Möglichkeit nur mehr die erste und die letzte Meile der Transporte auf der Straße zurückgelegt und erfolgt die Überbrückung der Hauptläufe entweder auf der Schiene oder auf dem Seeweg. Auf den Verbindungen von und nach Skandinavien, England, Irland und Island im Norden beziehungsweise nach Italien, Spanien, Griechenland und Türkei im Süden sind mittlerweile trimodale Logistikketten gang und gäbe. Und so wie es aussieht, wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren verstärken.
Bei Vega International Car Transport nimmt man das zum Anlass für die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Strategie. Sie trägt die Kurzbezeichnung ZEL – was für „Zero Emission Logistic“ steht – und setzt sich den CO2-freien Transport von Nutzfahrzeugen zum Ziel. „Wir würden das Programm gerne bis zum Jahr 2025 umsetzen“, sagt Peter Blum. Die Zweifel jener Gesprächspartner, die das für unmöglich halten, kann er noch nicht zur Gänze zerstreuen. Nach wie vor ist die Frage offen, wann die internationale Fahrzeugindustrie zu vernünftigen Konditionen Pkw und Lkw mit alternativen Antrieben anbietet. Dazu kommt bei den Modellen mit Elektromotoren das noch zu lösende Problem mit den zu geringen Reichweiten.
Bis zur Klärung von diesen und diversen anderen Sachverhalten forcieren die Experten von Vega International die Umsetzung des Konzepts zur Verlagerung von Transportströmen von der Straße auf die Schiene. Die Grundlage dafür bildet ein gemeinsam mit der Firma Kässbohrer Transport Technik entwickelter Adapter. Auf ihn werden Lkw, Transporter, Tranktoren, gummibereifte Baumaschinen und nicht kranbare Trailer hinaufgefahren und anschließend per Kran oder Reachstacker auf Taschenwagen verladen. „Dank der vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten bringen wir so auf vielen Strecken Rundlauf-Konzepte zustande“, erklärt Peter Blum.
Derzeit kommt das Bahnlogistik-Konzept des Salzburger Unternehmens auf den Routen Triest – Karlsruhe und Verona – Rheine (Münsterland) zur Anwendung, deren Bedienung mit jeweils zwei Rundläufen in der Woche erfolgt. Dafür stehen 64 Adapter bereit. Weitere 64 Einheiten befinden sich in Produktion, wobei es bereits Überlegungen für die Bestellung einer weiteren 64er-Tranche von Adaptern gibt. Peter Blum berichtet in diesem Zusammenhang von Plänen für die Einrichtung von zwei bis vier neuen Zugprodukten sowohl auf der Nord-Süd- als auch entlang der West-Ost-Achse. Dadurch würde sich der aktuell bei 12 Prozent liegende Bahnanteil zumindest verdoppeln. Die Industrie sei bereit, das Konzept anzunehmen, sagt Peter Blum. Derzeit liegen Anfragen für zwölf konkrete Bahnlogistik-Projekte auf seinem Tisch.
JOACHIM HORVATH