Trawöger-Gruppe erwägt verstärkte speditionelle Ausrichtung

Bei der Trawöger Transport GmbH bereitet man sich schon lange auf den Brexit vor. Das oberösterreichische Transportunternehmen bewegte im vergangenen Jahr rund 18.500 Lkw-Ladungen von Kontinentaleuropa nach England und Irland. Das geschieht seit geraumer Zeit unter den denkbar ungünstigsten Rahmenbedingungen.

Trawöger-Gruppe erwägt  verstärkte speditionelle Ausrichtung Bild: Trawöger Transport zählt seit Jahren zu den maßgeblichen Anbietern im England-Verkehr.

RIED IM TRAUNKREIS. Englische Unternehmen mögen vielleicht wenig produzieren, aber in einer Disziplin sind sie unübertroffen. Gemeint ist die Bauindustrie, von deren Effizienz Rupert Trawöger schwärmt. Er habe sich einmal die Vorgehensweise bei einem Großprojekt genauer angesehen, und das habe ihn schwer beeindruckt, berichtet der Eigentümer und Geschäftsführer der Trawöger Transport GmbH. „Da werden durch den gut geplanten Einsatz von modularen Systemen für so zu ziemlich jeden Arbeitsschritt Projekte in einer Geschwindigkeit realisiert, bei der man als Kontinentaleuropäer den Hut ziehen muss“, lautet sein Urteil.

Die Trawöger Transport GmbH mit Hauptsitz in Ried im Traunkreis in Oberösterreich zählte in der jüngeren Geschichte zu den Profiteuren der hocheffizienten Bauprojekte im Vereinigten Königreich. Die Lkw-Planenzüge des Unternehmens verbrachten in den letzten Jahren einige Tausend Ladungen mit Liften, Fassadenelementen, Glasprodukten, Bäder- und Hotellerieeinrichtungen von Ladestellen in Österreich, Italien, Deutschland, Belgien und den Niederlanden zu Baustellen in England, Schottland und Irland. Geht es nach dem Willen von Rupert Trawöger, dann hätte das ruhig so weitergehen können. Jedoch macht der Brexit ihm sowie seinen Branchenkollegen einen Strich durch die Rechnung.

Zuletzt bekam die Trawöger-Gruppe das bei vier Großprojekten zu spüren, für die sie bereits den Zuschlag für die Durchführung von einer beträchtlichen Anzahl an Transporten von Kontinentaleuropa nach England erhalten hatte, deren Realisierung nun aber auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Um welche Dimensionen es da geht, zeigt die im Vorjahr fertiggestellte Modernisierung des „All England Lawn Tennis Club“ in Wimbledon. Dabei wurden 132 Lifte und Rolltreppen verbaut, wobei ein Aufzugsystem in etwa die Anlieferung von sechs Lkw-Ladungen erforderte. Um dabei nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, verfügt das österreichischen Unternehmen über die sogenannte FORS Certification (Fleet Operator Recognition Scheme).

Ohne dieses Zertifikat bliebe den Lkw-Zügen der Trawöger-Gruppe die Zufahrt zu den Baustellen in den Zentrallagen der englischen Großstädte verwehrt. Dann wäre das Unternehmen auf der „letzten Meile“ auf die Unterstützung durch lokale Transporteure angewiesen. Deren Trucks fahren zu einem Preis, der in etwa jenem der Langstreckenverkehre von den Ladestellen in Kontinentaleuropa bis zu den Umladestationen im Vereinigten Königreich entspricht. Damit hätte das Trawöger-Team in der Gesamtbetrachtung das Nachsehen gegenüber den zahlreichen anderen Mitbewerbern, noch dazu wo jeder Umschlagvorgang ein Beschädigungsrisiko mit sich bringt.

Durch den Brexit kommt – wie allgemein erwartet – neues Ungemach auf das internationale Transportunternehmen zu. Laut den bisher vorgelegten unabhängigen Prognosen büßt das Vereinigte Königreich dadurch mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ein. Schlimmstenfalls, sprich bei einem harten Brexit – könnten es acht Prozent sein. „England wird an Wirtschafts- und Einkaufskraft verlieren“, ist Rupert Trawöger überzeugt. Vor diesem Hintergrund trifft der Transportunternehmer schon seit über einem Jahr intensive Vorbereitungen für eine Stabilisierung der England-Operationen auch nach dem Brexit sowie für ein verstärktes Engagement in anderen Geschäftsfeldern und Regionen. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2017 die auf Dienstleistungen in der europäischen Gefahrgutlogistik spezialsierte Roos Spedition GmbH übernommen.

Im extrem margengetriebenen klassischen Transportgeschäft mit Planenzügen von und nach England oder Irland müssen die einzelnen Anbieter rasch neue Lösungen finden. Das können entweder Systemverkehre mit eigenen Zugmaschinen sein, was sich nur mit Modellen unter Ausnutzung der geringsten Lohnkosten, niedrigsten Kfz-Steuern und der attraktivsten politischen Rahmenbedingungen bewerkstelligen lässt. Als Alternative dazu bietet sich die Forcierung von hochindustrialisierten Trailermanagement-Konzepten an, so wie das einige namhafte europäische Transportorganisationen tun. Dieser Modellansatz behagt Rupert Trawöger mehr, „weil man ein derartiges Geschäftsmodell mit angestellten Managern umsetzen kann“. Hingegen handelt es sich bei den relevanten Straßenfrächtern mit eigenem Fuhrpark in den meisten Fällen um private Unternehmen mit sehr aktiven Eigentümerfamilien.

Für das verstärkte Engagement im Marktsegment des Trailermanagements und die damit verbundenen speditionellen Dienstleistungen sprechen auch die haarsträubenden Zustände an den „Hotspots“ für den Güterverkehr von Kontinentaleuropa nach Europa im Fährhafen Calais sowie am Ausgangspunkt des Euroshuttle-Bahnservice. Hier tummeln sich unzählige Flüchtlinge, die jede Chance zur unentdeckten Einreise nach England nutzen. Viele von ihnen versuchen den Grenzübertritt als „blinde Passagiere“ in den Lkw-Zügen. Wird eine solche illegale Aktion entdeckt, muss der betroffene Transportunternehmer den Beweis dafür erbringen, dass sein Fahrer alle erdenklichen Maßnahmen zur Vermeidung dieser Situation ergriffen hat. Ansonsten wird eine Bußgeldstrafe in Höhe von 2.000 GBP oder umgerechnet rund 2.250 Euro gegen ihn verhängt, wohlgemerkt pro aufgegriffener Person.

Weil das ordentlich ins Geld geht und in Anbetracht der geringen Margen in der Transportlogistikindustrie ziehen sich immer mehr kleine und mittelgroße Frachtführer aus dem England-Verkehr zurück. Bekräftigt wird diese Entwicklung durch das hohe Diebstahlrisiko beim Passieren der Grenze von Frankreich nach England. Es bleibt abzuwarten, ob und wann sich die Situation wieder beruhigt. Solange bleibt sie auch für die Trawöger Transport GmbH ein „Dauerbrenner“, deren rund 500 Auflieger und 250 Zugmaschinen im Eigenbestand regelmäßig zwischen Österreich, Italien, Deutschland, Belgien und Niederlande auf der einen sowie England und Irland auf der anderen Seite des Ärmelkanals pendeln.

JOACHIM HORVATH

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