WIEN. Über Systembrüche weiß Dieter Kaas Bescheid. Ihnen verdankt der Wiener Geschäftsmann viel. Ein bisschen spielte dabei der Zufall Regie. Denn eigentlich hielt im Jahr 1988 ein internationaler Logistikkonzern Ausschau nach einem Partner für den Aufbau einer Bahnspedition in Polen. Dabei sollte Dieter Kaas, der über gute Kontakte in dem damals noch kommunistischen Land verfügte, beratend zur Seite stehen. Er fädelte die Konsultationen mit den Verhandlungspartnern ein und saß bei den einzelnen Gesprächsrunden mit am Tisch. Alles lief auf eine enge Kooperation mit dem Güterverkehr der polnischen Staatsbahn PKP hinaus. Doch dann stoppten die Verantwortlichen des Logistikkonzerns das Projekt.
An dieser Stelle ist eine Kurzdarstellung des Wesens von Dieter Kaas angebracht. Der aus Wien stammende Geschäftsmann besitzt eine ausgesprochen positive Lebenseinstellung. Er schätzt Menschen, die Herausforderungen mit einer ordentlichen Portion Optimismus und Zuversicht lösen und dabei auch Rückschläge verkraften. Man kann sagen, er umgibt sich gerne mit Personenkreisen mit seiner Lebenseinstellung. Das bekommt ihm gut und mündete in seinem konkreten Fall in einer internationalen Transport- und Logistikgruppe, die im laufenden Jahr mit rund 300 Mitarbeitenden an 26 Standorten in elf Ländern in Zentral-, Ost- und Südosteuropa – zuzüglich Italien – etwa 150 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet.
Wenn es dafür eine entscheidende Weichenstellung gab, dann war das der Rückzieher des internationalen Logistikkonzerns in Polen. Danach bewies Dieter Kaas Mut zum Risiko und nahm das Heft selber in die Hand. Gemeinsam mit dem Güterverkehr der PKP gründete er im Jahr 1988 laut eigenen Angaben das erste Joint Venture in der Logistikbranche mit einem westlichen Teilhaber in Osteuropa. Die Trade Trans Group konzentrierte ihr Wirken von Anfang an auf Tätigkeiten in der internationalen Bahnspedition. In der Spitzenzeit erwirtschaftete das Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden umgerechnet rund 400 Mio. Euro Jahresumsatz. Die Wachstumsraten waren enorm und die Erträge üppig.
Um davon über einen längeren Zeitraum profitieren zu können, mussten die Investoren aus dem Westen einigermaßen trinkfest und geistig agil sein. Wer damals eine schnelle Auffassungsgabe über die Verhältnisse in Osteuropa besaß, hatte gute Erfolgschancen. Dieter Kaas wurde sich sehr schnell der Bedeutung von jenen Unternehmen bewusst, die bis dahin die Außenhandelsmonopole für bestimmte Warengruppen besessen hatten. Ihre Zeit war auch nach der politischen Wende noch lange nicht vorbei. Vielmehr zogen die Verantwortlichen weiterhin die Fäden. Dabei begegneten sie den neuen Entwicklungen im Geschäftsfeld Bahnlogistik mit Interesse. Noch dazu war und ist Polen traditionell sehr bahnaffin.
Nicht zuletzt dank der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung mit der heutigen PKP Cargo sicherte sich die Trade Trans Group das Vertrauen der Monopolfirmen für den Außenhandel mit Holz- und Chemieprodukten sowie der Hersteller von Weißwaren. Die meisten Unternehmen wurden im Lauf der Jahre von ausländischen Konzernen übernommen. Deren Logistikmanager setzten die Zusammenarbeit mit der Bahnspedition fort. Vielen von ihnen fehlten die Kenntnisse über den Schienengüterverkehr in Polen. Umso mehr schätzten sie die Partnerschaft mit der Trade Trans Group, deren Spezialisten im Geschäftsfeld Bahnlogistik anständige Arbeit verrichteten, sodass die grenzüberschreitenden Logistikketten gesichert waren.
Die Erfolgsgeschichte der Trade Trans Group im Marktsegment Bahnlogistik dauerte bis 2010. Dann fiel bei PKP Cargo der Entschluss zu einer strategischen Neupositionierung. Mit dem Kauf der AWT wurde der erste Schritt der Internationalisierung eingeleitet. Damit einher ging der Erwerb der 50%igen Beteiligung von Dieter Kaas an dem Joint Venture. Nur die Lkw-Abteilung blieb im Eigentum des Wiener Geschäftsmannes. Sie steht seit knapp 20 Jahren unter der Leitung der früheren Pekaes-Managerin Krystina Nowak und präsentiert sich heute als vielseitiges Unternehmen. Unter dem Namen Trade Trans Log werden Dienstleistungen in den Bereichen FTL/LTL (zu 90 Prozent international), Lagerlogistik, Übersee, Hafenlogistik und Umladungen an der polnisch-weißrussischen Grenze angeboten.
TradeTrans Log betreibt aktuell neun Standorte in Polen und eine Niederlassung in Ostrava (Tschechien). Die rund 100 Mitarbeitenden disponieren 2.500 Lkw-Ladungen im Monat. Durch die EU-Osterweiterung im Jahr 2004 gewannen die Geschäfte noch mehr an Dynamik. Zwar befürchtete auch Krystyna Nowak im Vorfeld die negativen Folgen des Wegfalls der Einnahmen aus dem Zollgeschäft. Jedoch machte die Abschaffung der Grenzkontrollen diese Einbußen in einem Ausmaß wett, mit dem niemand gerechnet hatte. „Der Güteraustausch ist rapide angestiegen. Gleichzeitig verkürzte sich die Laufzeit der Lkw-Transporte deutlich. Das war für uns in der Gesamtbetrachtung eine sehr erfreuliche Entwicklung“, reflektieren Krystyna Nowak und Dieter Kaas im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung.
Die Geschichte der Trade Trans Group war immer von Innovationen und von der frühzeitigen Positionierung auf Märkten mit Systembrüchen geprägt. In diesen Phasen gibt es schlimmstenfalls einen überschaubaren Wettbewerb und die Scheu vieler kapitalstarker Konzerne vor riskanten Investitionen. Derzeit bereiten Krystyna Nowak und Dieter Kaas den Einstieg in die temperaturgeführte Transportlogistik in Polen und Rumänien vor. Auch im Bereich Intermodal sieht das Duo gute Chancen. So wird in Polen die Anschaffung von kranbaren Megatrailern überlegt und startet in Doboj in der Republik Srpska in Bosnien Herzegowina in Kürze der Bau eines UKV-Terminals mit zunächst 100.000 TEU Jahreskapazität.
Der Railport Arad in Curtici in Westrumänien markiert neben dem Engagement in Polen die zweite große Erfolgsgeschichte der Trade Trans Group im Wirtschaftsraum Ost- und Südosteuropa. Er ruft das Interesse von namhaften europäischen und asiatischen Logistikkonzernen für den Erwerb einer Beteiligung hervor. Zumindest in dieser Beziehung lässt sich Dieter Kaas derzeit nicht in die Karten schauen. Der Unternehmer hat in Rumänien schon viele schöne aber auch sehr bittere Stunden erlebt. Ihn verbinden gemischte Gefühle mit dem Land und die Überzeugung, „dass es hier keine leistungsfähigere Drehscheibe für den intermodalen Verkehr Schiene-Straße als unseren Railport Arad gibt“.
Bleibt noch ein Detail zu erwähnen, das für den Erfolg der Trade Trans Group in Polen entscheidend war. Es bestand in der Positionierung der Fakturierung in Westwährungen (D-Mark, Schilling, Schweizer Franken) in Wien. Dabei wurden die Rechnungen sofort nach Erbringung der Dienstleistungen erstellt. Im Gegensatz dazu fakturierten die osteuropäischen Bahnen erst drei bis vier Monate später. Das geschah in den damals von einer Hyperinflation gebeutelten Landeswährungen (Polnischer Zloty, Tschechische Kronen, Ungarischer Forint). Dadurch bedingt waren die Frachtraten dann oft niedriger als die an die Bahnspedition ausbezahlten Gutschriften.
JOACHIM HORVATH