„Moderne Sklaverei in der europäischen Transportwirtschaft“

WU-Studie zeigt: Illegale Praktiken bei der Anstellung von Lkw-Fahrern aus Osteuropa stehen an der Tagesordnung.

„Moderne Sklaverei in der europäischen Transportwirtschaft“ Bild: Camion Pro - Facebook

Eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) in Zusammenarbeit mit der Griffith University, Queensland/Australien, und dem Branchenverband Camion Pro deckt Missstände im europäischen Transportgewerbe auf. Befragt wurden 1.027 Lkw-Fahrer aus Belarus, Ukraine und weiteren osteuropäischen Staaten.

95 Prozent der Befragten sind bei Speditionen in Litauen und Polen beschäftigt und dort von massiver Ausbeutung betroffen. Dies berichtete Dr. Wolfram Groschopf vom WU-Institut für Transportwirtschaft beim Camion ProSymposium „Moderne Sklaverei in der europäischen Transportwirtschaft“ in München.

„Unsere Umfrage zeigt eindrücklich, dass die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer in der EU in vielen Fällen Elemente moderner Sklaverei aufweisen“, kommentiert Wolfram Groschopf. Die Covid-19-Pandemie habe zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen beigetragen. Auch der Ukraine-Krieg verschärfe die schlechte Arbeitssituation vieler osteuropäischer Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer.

Etwa 63 Prozent der Befragten geben an, über keine Arbeitslosenversicherung zu verfügen. 92,4 Prozent sind nicht rentenversichert. Fixgehälter unter 400 Euro oder eine leistungsabhängige Bezahlung stehen an der Tagesordnung. Mindestlohn und bezahlte Urlaubs- oder Krankheitszeiten fehlen. Fast 70 Prozent der Befragten geben an, pro Arbeitseinsatz acht bis zwölf Wochen oder mehr am Stück von zu Hause weg zu sein. 

Ein litauischer Rechtsanwalt, der regelmäßig Lkw-Fahrer vor Gericht vertritt, berichtet von illegalen Praktiken bei der Anstellung von Fahrern aus Osteuropa. So würden Verträge und Abrechnungen ausschließlich in litauischer Sprache vorgelegt, sodass die Fahrer deren Inhalt nicht verstehen. Mit ihrer Unterschrift verzichten diese dabei häufig auf bezahlten Urlaub, auf die Rückkehr an den Heimatstandort für die wöchentliche Ruhezeit und auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Vielfach verpflichten sich die Fahrer zudem unwissentlich zu Schadensersatz oder Lohnabzug im Falle eines Unfalls, eines Rangierschadens oder bei Verlust/Diebstahl der zur Verfügung gestellten Tankkarten. „All diese Praktiken verstoßen gegen die Europäische Sozialcharta“, konstatiert Rechtsanwältin Margit Fink.

www.camionpro.de; www.wu.ac.at

Werbung