WIEN. Er beherrscht sowohl die deutsche Sprache als auch die Kunst des Erzählens. Das verleiht der Unterhaltung mit DI Weimin Li einen gewissen Reiz. Noch dazu, wo der aus China stammende Geschäftsmann den Beweis dafür erbringt, dass der Warenaustausch zwischen dem Reich der Mitte und Zentraleuropa keine Einbahnstraße sein muss. Vielmehr beschreitet seine auf den Handel mit Produkten aus Österreich und Ungarn spezialisierte Firma mit dem Namen Golden Bridge Trade GmbH genau den umgekehrten Weg. Das 2014 gegründete Unternehmen mit Sitz in Purkersdorf bei Wien exportiert die Erzeugnisse von zentraleuropäischen Produzenten und Handelspartnern in den riesigen Absatzmarkt China.
Der Umfang der Geschäftstätigkeit ist beachtlich. Er schicke von Wien ausgehend jede Woche rund 5 Tonnen österreichische Produkte nach China, erläutert Weimin Li im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Dabei muss alles sehr schnell gehen. Es gibt geduldigere Gemüter als chinesische Konsumenten. Wer sich in dieser Volkswirtschaft mit 1,3 Mrd. Einwohnern den Kauf von zentraleuropäischen Produkten leisten kann, der will auf die Artikel nicht lange warten. Daher kommt für die Firma Golden Bridge Trade nur eine Versandart in Frage, nämlich die Transportabwicklung per Luftfracht ab dem Flughafen Wien. Dabei erhält Weimin Li Unterstützung durch die Speditionen cargo-partner und Gebrüder Weiss.
Milchpulver, Weine, Lebensmittel und Nahrungsergänzungsprodukte sind die Hauptexportgüter der Firma Golden Bridge Trade. Um die physische Abwicklung der Luftfrachttransporte kümmern sich je nach Zieldestination die Fluggesellschaften Austrian Airlines, Lufthansa, Air China, neuerdings Hainan Airlines, Qatar Airways und Emirates. Dabei nutzt Weimin Li aus Zeitgründen vorzugsweise die Direktdienste der genannten Anbieter. Aber gewisse Ziele in China erreicht man nur mit Anschlussflügen ab den Gateways in Beijing, Shenzhen und Hainan oder ab den Luftfracht-Drehscheiben in Doha (Qatar) und Dubai (Vereinigte Arabische Emirate).
Bis vor kurzer Zeit wurden die Laufzeiten der Transporte von den teilweise langen und umständlichen Importzollverfahren in China beeinträchtigt. Das bleibt den Exporteuren auf der einen und deren Kunden in Ostasien auf der andere Seite der Logistikkette mittlerweile erspart. Als Grundlage dafür dient das neu eingeführte Konzept mit der Bezeichnung „Cross Border Warehousing“. Damit greift Weimin Li auf die Lagerhäuser in speziellen Freihandels- und Sonderwirtschaftszonen zurück. Für ihre Betreiber und deren ausländischen Geschäftspartner gelten vereinfachte und beschleunigte Zollverfahren, die oft schon zum Zeitpunkt des Starts der Luftfrachtfrachttransporte in Wien eingeleitet werden. So ist eine schnelle Warenauslieferung in China sichergestellt, und das kurbelt die Nachfrage an.
Für den Flughafen Wien gewinnt China insbesondere im Passagierverkehr sprunghaft an Bedeutung. „In der Luftfracht können wir sicher noch viel Potenzial heben“, erläuterte Vorstandsdirektor Mag. Julian Jäger kürzlich in einem Vortrag für die Austrian Chinese Business Association (Präsident Prof. Dr. Georg Zanger). Unter Experten herrscht Einigkeit darüber, dass der Vienna International Airport die Voraussetzungen für die Positionierung als Gateway zwischen den Technologiezentren in Asien und den europäischen Märkten erfüllt. Jedoch haben auch die Flughäfen in Prag und Budapest ähnliche Ambitionen, und das verursacht einen starken Wettbewerb.
Vorläufig werden die Asien-Liniendienste am Flughafen Wien im Segment Luftfracht von den südkoreanischen Zulieferungen für die großen Automobil- und Elektronikindustrien in den Länden Slowakei, Tschechien und teilweise Ungarn dominiert. Hierbei profitiere man von der günstigen verkehrsgeographischen Lage der österreichischen Bundeshauptstadt, ließ Julian Jäger durchblicken. Parallel dazu hat sich laut seinen Angaben der Nurfrachterdienst der China Southern Cargo von Shanghai nach Wien etabliert. Hinzu kämen die Belly-Kapazitäten in den Flugzeugen von Austrian Airlines, Air China und Hainan Airlines auf den Langstrecken-Verbindungen zwischen Österreich und China.
Augenblicklich bestehen vom Flughafen Wien ausgehend Direktverbindungen für Passagiere und Luftfracht in die chinesischen Millionenstädte Beijing, Shanghai und Shenzhen. Als bedauerlich bezeichnete Julian Jäger die kürzlich erfolgte Einstellung der Hongkong-Route. Diesen Verlust will der Flughafen Wien möglichst schnell wieder mit einer anderen Airline wettmachen. In diesem Zusammenhang verlieh der VIE-Vorstand vor der Austrian Chinese Business Association seiner Hoffnung Ausdruck, „dass wir unser Netz an Direktverbindungen in den kommenden zwei Jahren auf zwei bis drei zusätzliche Städte in China ausdehnen können“. Als mögliche Kandidaten schweben ihm Chengdu, Guangzhou und Xian vor Augen.
JOACHIM HORVATH