WIEN. Zunächst bricht Bernd Labugger eine Lanze für die Seefracht-speditionen. Das liegt dem Vice President Ocean Freight bei DB Schenker Österreich und Südosteuropa am Herzen. Schließlich gibt es in der heimischen Logistikbranche Personen, die eine Verlagerung der FCL-Verkehre in Richtung der Containerreedereien prognostizieren. Das mag auf den einen oder anderen Großverlader zutreffen. Jedoch kann man diese Unternehmen an den Fingern zweier Hände abzählen. Bei allen anderen Importeuren und Exporteuren handelt es sich um Firmen mit volatilen Mengen, die für jede Verschiffung die beste Lösung suchen. Das übersteigt die Möglichkeiten der Linienreedereien – egal wie groß sie sind.
Dazu kommt die Tendenz hin zu den kleineren Sendungen. Das fördert die Entwicklung der Seefracht-Sammeldienste – im Fachjargon LCL Services genannt. Allein DB Schenker bedient in diesem Segment weltweit 2.500 Verbindungen in der Woche. Der damit verbundene organisatorische Aufwand ist enorm. Er setzt die Bereitstellung von Netzwerken für die Sammlung oder Verteilung der Sendungen und das Management von sogenannten Container Freight Stations voraus. „Das bekommt die verladende Wirtschaft nur von den Seefrachtspeditionen geboten“, hebt Bernd Labugger hervor. Damit das so bleibt, ist DB Schenker in Österreich und Südosteuropa nach vorne orientiert. Im Jahr 2020 werden neue Produkte eingeführt.
Bevor Bernd Labugger näher darauf eingeht, bringt er noch zwei weitere schwerwiegende Argumente für die Disziplin der Seefrachtspeditionen auf die Waagschale. Demnach übernimmt DB Schenker – analog zu den Mitbewerbern – die Verantwortung für die gesamte Supply Chain der Kunden bis hin zur begleitenden Dokumentation und Zolllogistik. Es gibt keine vergleichbaren Produkte der Linienreedereien. Und zweitens sind die „Carrier“ beim Füllen ihrer stetig größer werdenden Containerschiffe auf die Unterstützung durch die Logistikdienstleister angewiesen. Ihre „Key Accounts“ aus dem Kreis der Direktkunden á la Decathlon, Ikea oder Nestlé sorgen vielleicht für die Grundauslastung. Aber die sprichwörtliche Butter aufs Brot kommt von wo anders her.
Vor diesem Hintergrund hebt DB Schenker in Österreich das Produktportfolio für Sammelcontainer-Dienste auf ein neues Niveau. Ab Mai 2020 können die Kunden zwischen zwei Servicelevel wählen. Das Standardprodukt ist sozusagen die Fortsetzung des bisherigen Angebotes. Dabei erhalten die Verlader eine ordnungsgemäße und zuverlässige Abwicklung ihrer Sendungen. Es gibt jedoch Unternehmen, deren Einkäufer und Logistiker die LCL-Dienste verstärkt als Alternative zu den deutlich kostspieligeren Luftfrachttransporten begreifen. Ihnen wäre in bestimmten Fällen mit schnelleren Transportabläufen geholfen, auch wenn das mit einem Preisaufschlag verbunden ist.
Hier setzt das neue Produkt DB Schenker premium an. Es bietet den Kunden Laufzeitgewinne in Verbindung mit einer optimierten Planbarkeit und Nachverfolgbarkeit der Transporte. Je nach Verbindung verkürzt sich die Transitzeit um fünf bis zwölf Tage. Als Hubs werden die Stationen in Hamburg, Rotterdam und Mailand genutzt. Der italienische Standort eröffnet via die Seehäfen Genua und La Spezia die Anbindung an Direktdienste nach Nord- und Südamerika, was von Triest, Koper oder Rijeka ausgehend derzeit nicht möglich ist. Aber das ist nur ein Detail zu einem Produkt, „wie es das in dieser Art und Weise in Österreich bisher nicht gegeben hat“, wie Bernd Labugger hervorhebt.
Damit die LCL-Dienste von DB Schenker Österreich präzise funktionieren, sind ihre Vor- und Nachläufe in die und aus den Seehäfen ab Mai in das Landverkehrsnetz der Spedition eingebunden. Dieses ist geprägt von standardisierten Abläufen und von getakteten Verkehren. „Damit bringen wir noch mehr Systematik in die Abläufe“, bemerkt Bernd Labugger. Bisher erfuhren die LCL-Transporte auf der Straße eine gesonderte Abwicklung. Aus dem neuen Modellansatz ergeben sich Synergien, die jedes Unternehmen in der stark fragmentierten und preislich hart umkämpften Logistikbranche gut gebrauchen kann. Dies umso mehr in einer Phase, in der sich die Entwicklung des Welthandels etwas eintrübt.
Verschärft wird dieses Szenario durch das Coronavirus in China, dessen Folgen für den Seefrachtenmarkt in Österreich ab Mitte März deutlich spürbar werden dürften. Fachleute warnen vor einem Equipment- und Kapazitätsmangel bei den Exporten. Das sei nicht von der Hand zu weisen, räumt Bernd Labugger ein. Daher treffe DB Schenker alle erdenklichen vorbeugenden Maßnahmen, um den Kunden weiterhin ein hohes Maß der Versorgungssicherheit zu gwährleisten. Das fängt beim Kauf von „shippers own contaiern“ an und reicht bis zur vertraglichen Absicherung von Transportkapazitäten sowohl bei den Containerreedereien als auch bei den Fluggesellschaften sowie den interkontinentalen Bahnoperateuren auf der „Neuen Seidenstraße“.
Bei DB Schenker befürchtet man, dass die angespannte Situation bei den Seefrachten bis zu sechs Monate dauern kann. Für diese Zeitspanne empfiehlt Bernd Labugger den Logistik- und Versandmanagern der heimischen Exportunternehmen die Festlegung von Bedarfsmodellen jeweils für einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen. Außerdem sollten sich die Damen und Herren Gedanken über alternative Transportkonzepte sowohl auf der Schiene als auch per Luftfracht machen. Grundsätzlich sei in den nächsten Wochen von Preissteigerungen bei allen Modalitäten auszugehen. Bleibt als große Ungewissheit die Frage, ob und wie die Truckingdienste in China funktionieren werden. Darauf hat derzeit niemand eine stichhaltige Antwort.
Wem danach ist, der kann sich in der Zwischenzeit auf ein neues Produkt von DB Schenker im Bereich Seefracht freuen. Im vierten Quartal 2020 bringt der integrierte Logistikdienstleister ein Servicekonzept auf den Markt, bei dem die Kunden aus der verladenden Wirtschaft den CO2-Fußabdruck ihrer Container definieren können. Zur Wahl stehen drei Varianten. Bei der umweltfreundlichsten Lösungen wird die CO2-Belastung mit einem geringen preislichen Mehraufwand auf ein Minimum reduziert. Wer darauf zurückgreift, der leistet als Verlader einen Beitrag zum Klimaschutz und bekommt das dann auch digital oder schriftlich bestätigt. Es gibt Unternehmen, die bereits ihr Interesse dafür angemeldet haben. Man darf gespannt sein, ob sie ihre diesbezüglichen Pläne in die Tat umsetzen.
JOACHIM HORVATH