Es herrscht ein alarmierender Kapazitätsengpass im Transportsektor. Das ist der Tenor eines Treffens am Rande der letzten Konferenz des Verbandes der Europäischen Fahrzeuglogistik (ECG) in Wien. Topthema war die Krise bei der Produktions- und Endkundenversorgung. Hatten die OEM (Original Equipment Manufacturer) 2021 vor allem mit schwankenden Lieferungen der Logistiker zu kämpfen, müssen die Hersteller nun am Markt Transportkapazitäten erkämpfen.
Momentan kalkuliert die Branche mit einem Anstieg des Neufahrzeugvolumens. Steven van Arsdale, Manager Automotive bei PwC, schätzt, dass sich die Anzahl der in China hergestellten Fahrzeuge, die nach Europa verkauft und transportiert werden, bis 2025 im Vergleich zu 2022 fast verdoppeln wird.
Jedoch wird von der Verfügbarkeit der Verkehre abhängen, ob sich diese Chance auch nutzen lässt. Faktoren wie der Fahrer- sowie Rohstoff- und Ersatzteilmangel bei explodierenden Kosten verstärkten diesen Abwärtstrend.
„Im Straßengüterverkehr steht geschätzt ein Drittel weniger Lkw-Kapazität im Vergleich zur Zeit vor dem Pandemieausbrauch zur Verfügung. Viele ältere Lkw wurden verschrottet, viele Fahrer haben die Fahrzeuglogistik verlassen“, malt Mike Sturgeon, ECG-Exekutivdirektor, ein düsteres Bild der Herausforderungen.
Auch abseits der Straße gibt es erhebliche Kapazitätsengpässe. Für Shortsea-Shipping-Verkehre benötigte Schiffe wurden einerseits aufgrund ihres Alters abgewrackt und sind andererseits aufgrund gestiegener Nachfrage nach Asien verchartert. In der Seeschifffahrt kommen die Überlastung in den Häfen, der Arbeitskräftemangel sowie lange Bauzeiten für neue Schiffe hinzu.
Der Schienenverkehr leidet ebenfalls massiv unter einem jahrelangen Investitionsstau in die Infrastruktur und den daraus resultierenden Wartungsarbeiten. Darüber hinaus ziehen es die Lokomotivführer vor, für Unternehmen zu arbeiten, die andere, als stabiler wahrgenommene Rahmenbedingungen anbieten können als jene aus der Fahrzeuglogistik. Auf dem deutschen Markt wird der Mangel an Schienenkapazität mit etwa 35-40 Prozent beziffert.
„Es besteht ein reales Risiko, dass sich die Fertigfahrzeuglogistiker keine ausreichenden Kapazitäten sichern können, um die Autos an ihr Ziel bringen zu können. Eine kurzfristige Besserung der Kapazitätslage ist aktuell nicht in Sicht „, befürchtet Mike Sturgeon.
ECG, der Verband der Europäischen Fahrzeuglogistik, ist seit 1997 das Sprachrohr der Fahrzeuglogistikbranche in Europa. Die ECG vertritt die Interessen von fast 140 Mitgliedsunternehmen und Partnern, von kleinen und mittleren Familienbetrieben bis hin zu multinationalen Konzernen. Die ECG vertritt alle Verkehrsträger auf EU-Ebene – Straße, Schiene, Seeverkehr und Binnenschifffahrt.
Die ECG-Mitglieder erbringen Transport-, Vertriebs-, Lager-, Aufbereitungs- und Nachbearbeitungsdienstleistungen für Hersteller, Importeure, Autovermieter und Fahrzeugleasingunternehmen in der gesamten EU sowie in Norwegen, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, der Türkei und darüber hinaus. Sie besitzen oder betreiben mehr als 360 Autotransportschiffe, 15.100 speziell angefertigte Eisenbahnwaggons, 22 Binnenschiffe und mehr als 23.000 Straßentransporter. Die ECG-Mitglieder erwirtschaften einen Gesamtumsatz von rund 21,3 Mrd. Euro. Mehr als 93.000 Europäer sind direkt in der Fahrzeuglogistikbranche beschäftigt.