Die 1983 gegründete cargo-partner Gruppe ist ein privat geführter Transport- und Logistikdienstleister mit einem breiten Portfolio an Luft-, See-, Landtransport- und Logistik-Services. Mit über einem Dritteljahrhundert an Expertise in Informationstechnologie und Supply Chain Optimierung entwickelt das Unternehmen maßgeschneiderte Services für eine Vielzahl an Branchen, um Wettbewerbsvorteile für seine Kunden auf der ganzen Welt zu schaffen. Die 3.150 Mitarbeitenden erwirtschafteten im Jahr 2019 einen Umsatz von 825 Mio. Euro (geschätzt).
CEO Mag. Stefan Krauter beleuchtet in einem schriftlichen Interview die aktuelle Situation der Luft-/Seefrachtspedition und in der Kontraktlogistik.
Wie hat sich zuletzt das Geschäft von cargo-partner in der Luft- und Seefrachtspedition entwickelt?
Luft- und Seefracht sind unser traditionelles Kerngeschäft, fast jeder Fünfte unserer 3.100 Mitarbeiter arbeitet in Greater China. Chinese New Year war sehr früh, deswegen war der Jänner unterdurchschnittlich, der Februar durch den Ausfall Chinas für den ganzen Markt wirklich sehr schlecht. Die Ereignisse sind aber ziemlich genau unseren Erwartungen gemäß eingetroffen. Unsere Organisation in China und Hongkong war bestens vorbereitet auf einen Boom von Luftfracht-Chartern und deren Bewältigung unter den Umständen, dass mindestens die Hälfte der Mitarbeiter vom Home-Office aus operieren mußte. Das war dann eine sehr gute Basis, um weltweit bereits erprobte Maßnahmen zu setzen, als sich zeigte, daß COVID-19 zu einem globalen Problem werden würde.
Der März war dann in der Luftfracht sehr stark. Die erwartete Schockwelle an Nachholbedarf, zu spät gewordenen als Seefracht geplanten Sendungen bei gleichzeitiger Reduktion oder später Einstellung der Passageflüge ist voll eingetreten. In der Seefracht wurde einiges FCL-Geschäft schwach, unsere LCL-Sammelcontainer waren erfreulich gut ausgelastet. Die Sammelverkehre auf der „Iron-Silk-Road“ waren im März westbound sehr stark, das Service sehr gut, weil die Bahntrassen von Personenzügen entlastet waren. FCL war dort normal, hat aber in den April hinein stark angezogen. Gerade sind auch wöchentliche Sammelcontainer Richtung China von Linz und Duisburg angelaufen.
Ihr Unternehmen forciert derzeit die Containertransporte auf der „Neuen Seidenstraße“ von/nach China. Welche Strategie und welche Erwartungen stecken dahinter?
Wir waren dort ein „Early Mover“ und schon seit 2015 sehr intensiv damit beschäftigt. Dafür gab es eine Reihe von Gründen. Die chinesische Regierung hatte schon 2012 klargestellt, dass sie diese „Iron Silk Road“ Route entwickeln will. Die europäische Industrie hatte sich Richtung Osten, die Industrieansiedlungen Chinas Richtung Norden und Westen entwickelt. Diese beiden Wirtschaftsräume sind einander nähergekommen und gleichzeitig weiter weg von den großen Seehäfen.
Für uns war die „Iron Silk Road“ zunächst eine schnellere Alternative zu unserem dichten Netz direkter wöchentlichen Sammelverkehrslinien (LCL) Richtung Europa. Weiters hatten wir beobachtet, dass die Dispositionen in der Industrie immer kurzfristiger wurden und Luftfracht bezahlt wurde, wenn man kürzere Laufzeiten als die rund sechs Wochen End to End in der Seefracht benötigte. Mit der Steigerung der Abfahrtsdichte wurde der Bahnservice zu einer idealen Laufzeit/Kostenvariante zwischen Luftfracht und Seefracht mit einer Zeitersparnis von durchschnittlich zweieinhalb bis drei Wochen gegenüber der Seefracht.
Der aufkommende e-Commerce hat den Bedarf an einer massenleistungsfähigen schnellen Frachtvariante, die wesentlich billiger als Luftfracht ist, sehr stark erhöht. e-Commerce wird immer anspruchsvoller gegenüber den Lieferzeiten, da ist man von China meist nicht konkurrenzfähig, selbst wenn man bereit ist Luftfracht zu bezahlen. E-Commerce kann der größte Kunde der Iron Silk Road werden. Das war übrigens auch einer der Gründe, weshalb wir stark in Logistik-Immobilien in Zentral-Osteuropa investiert haben.
Wie stellt sich die aktuelle Situation in der Kontraktlogistik dar? Viele Unternehmen berichten uns von vollen Lagerstandorten.
Wie oben beschrieben hat das COVID-19 Schockwellen ausgelöst, die Produktion und Bedarf, Frachtangebote und Transportsubstrat durcheinandergewirbelt hat. Während China Wochenenden einarbeitet, haben in Europa viele Fabriken, dann meist auch deren Läger zugesperrt. Natürlich kommt in solchen Zeiten Ware an, die im Produktionsbereich nicht verarbeitet und in vollen Lägern nicht mehr untergebracht werden können. Die Lagerlogistiker nehmen dann diese Überflusswaren nicht ganz so gerne an, weil diese Ware im Falle einer Rezession dann zwecks Kostenersparnis vom Kunden als erstes ausgelagert wird. Dann steht das Lager des Logistikers eine Wirtschaftsflaute lang teilweise leer.
Wir haben Kontraktlogistik vor etwa fünf Jahren von einem Neben- zu einem weiteren Hauptprodukt unseres Unternehmen aufgestuft. Wir sind da heute weltweit aufgestellt. In Fischamend, Ljubljana, Sofia, Zory (Südpolen), Prag, Dunajska Streda (Bahnterminal 50 km östlich von Bratislava), Warszawa haben wir unsere Standorte um circa 100,000 m² erweitert und haben da noch Platz.
Die anderen Läger können keine wirklich großen Kunden mehr aufnehmen, aber ein bisschen Platz findet sich immer. Am liebsten würden wir natürlich unsere Läger mit Waren füllen, wo wir gemeinsam mit dem Kunden IT-mäßig voll integriert aus Kundensicht wie eine externe Logistik-Abteilung mit günstiger Kostenbasis agieren. Spezialisiert sind wir dort auf die Kontraktlogistik für Automotive Produkte, Hich-Tech und Elektronics, natürlich e-Commerce und standortbezogen auch Nahrungsmittel. Dort sind wir auch bereit bei einer längerfristigen Kundenbindung weitere Lagerflächen anzumieten.
Wie stuft man bei cargo-partner die Geschäftsentwicklung im weiteren Jahresverlauf ein?
Die Weltwirtschaft geht schnurstracks in eine Riesen-Rezession, Europa hat sehr viel unternommen, um von vornherein das Schlimmste zu verhindern. Was nicht produziert oder konsumiert wird, kann nicht transportiert werden, also der Übersee-Transportmarkt wird in Summe sinken, auch deshalb, weil viele Unternehmen über ein teilweises „Near-Shoring“ nach Osteuropa oder die Türkei nachdenken werden. Es wird die Überlagerung verschiedener Effekte geben mit nur kurzfristig zu erstellenden Prognosen.
2020 wird für uns sicher ein sehr interessantes Jahr. Die Maßnahmen der österreichischen Regierung bewerte ich als extrem gut durchdacht. Das flexible Modell der Kurzarbeit nimmt den Unternehmen den Druck, vom Worst-Case-Szenario ausgehend zu viele Mitarbeiter abzubauen und ermöglich ihnen, jederzeit die Produktion wieder voll aufzunehmen. Respekt, denn alles was die Wirtschaft jetzt nicht bräuchte, wären Panikaktionen!
Was sind für cargo-partner in der momentanen Situation die größten Herausforderungen und dringendsten Maßnahmen?
Gesundheit geht natürlich vor alles! Natürlich haben wir wie alle anderen Unternehmen breitflächig Maßnahmen zur Kostensenkung eingeleitet, uns jedoch nur sehr selektiv von Mitarbeitern getrennt. Wir sind überzeugt, mit Hilfe des Kurzarbeitsmodells notfalls auch eine viele Monate lange Durststrecke durchtauchen zu können.
Eine Herausforderung für sich selbst ist eine längere Heimarbeitsphase der Mitarbeiter. Während Manager, die sich größere Wohnungen und einen geschützten Arbeitsbereich leisten können, sehr positiv darüber äußern, finden Beschäftigte mit Kindern in kleineren Wohnungen ein ziemlich stressiges Arbeitsumfeld vor.
Bei aller organisatorischen Meisterleistung, ein Mitarbeiter der Transportabwicklung wird von zu Haus aus selten die gleiche Produktivität leisten können, wie ihm das vom Büro aus möglich ist. Wir hätten es uns nie getraut, so viele Mitarbeiter gleichzeitig vom Home-Office aus arbeiten zu lassen. Wir waren überwältigt davon, wie gut das trotz allem funktioniert!
Welche Mehrwerte und Besonderheiten kann cargo-partner den Kunden in der momentanen Situation bieten?
Jedes Unternehmen hat durch seine Größe und seinen Organisationsgrad einige Vorteile und auch einige Nachteile.Wir sind spezialisiert auf Luftfracht, zuletzt sehr stark im Charter, Seefracht FCL und LCL, Iron Silk Road, Zentral-Osteuropa, weltweite Kontraktlogistik, eine sehr gute „information und collaboration platform“ über die wir den Kunden viele Leerkilometer sparen und Annehmlichkeiten bieten können. Unser Netzwerk von 130 eigenen Standorten auf vier Kontinenten, gute Agenturen, wo wir nicht selbst etabliert sind, bieten das Service eines großen mittelständischen Unternehmens, mit schnellen und kreativen Lösungen und einem Team, dessen Motto „we take it personally“ gelebt wird.
Die ÖVZ-Redaktion bedankt sich bei Stefan Krauter für das Interview.