TRIEST. Die Parisi Group ist eine Triester Institution. Die internationale Spedition mit den Tätigkeitsschwerpunkten Luft- und Seefracht besteht seit dem Jahr 1807. In dieser langen Zeit hat das Familienunternehmen zahlreiche strategische Neuorientierungen durchlaufen. Einer dieser Umbrüche lag im Fall des „Eisernen Vorhangs“ begründet. Dadurch gingen dem Transport- und Logistikdienstleister einige gut eingespielte Geschäfte verloren. Doch die Eigentümer hatten mit einer Alternativlösung vorgesorgt. Mit der Etablierung eines RoRo-Terminals am Molo VI erschlossen sie eine neue Einnahmenquelle. An der Anlage im Hafen Triest werden seit 2010 die RoRo-Liniendienste von Ekol Logistics abgefertigt. Seit 2018 ist die Betreibergesellschaft Europa Multipurpose Terminals (EMT) eine Tochtergesellschaft der türkischen Yalova Ro-Ro Terminals AS Group.
Unterdessen realisiert Francesco S. Parisi bereits das nächste Großprojekt. Dazu hat die Parisi Group, deren Geschäfte er leitet, gemeinsam mit zwei italienischen Baufirmen und dem Interporto Bologna das Joint-Venture Piattaforma Logistics Trieste – kurz PLT genannt – gegründet. Seine Hauptaufgabe besteht im Bau eines neuen Hafenterminals am Molo VIII. Der erste Anschnitt wird im Herbst 2019 fertiggestellt. Insgesamt entsteht im Rahmen eines PPP-Modells eine Drehscheibe für Hafenlogistikdienste mit 280.000 m² Gesamtfläche unter Einschluss einer 480 Meter langen Kaimauer. Darin enthalten ist das Areal am General Cargo Terminal Scalo Legnami, das die PLT-Gesellschafter im Jahr 2017 erworben haben.
„Wir werden auf der Piattaforma Logistics Trieste hauptsächlich Holz, Stahl, Metallprodukte sowie General Cargo abfertigen, wirft der Spediteur einen Blick in die Zukunft. Bei den Reedereikunden liegt der Fokus auf den RoRo-Spezialisten und auf den Betreibern von jenen kleineren Containerschiffen, für die am Molo VII keine freien Abfertigungskapazitäten mehr bereitstehen. Zur Grundausstattung der PLT gehören vier Bahngleise mit je 350 Meter Länge, wo der Umschlag zunächst mit Reachstackern erfolgen soll. „Im Hafen Triest gibt es noch jede Menge freie Bahnkapazitäten. Außerdem sind es von hier aus gerade einmal 500 Kilometer in die Wirtschaftszonen in Zentraleuropa“, reflektiert Francesco S. Parisi im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung.
Der Spediteur verweist in diesem Zusammenhang auf eine kürzlich veröffentlichte Studie, wonach der Hafen Triest bei einem entsprechenden Ausbau bis zu 2 Mio. TEU im Jahr bewältigen kann. Er für seinen Teil könnte mit einer derartigen Entwicklung gut leben. Insofern erfüllt es ihn mit Erleichterung, dass eine wachsende Zahl von ostasiatischen Unternehmen mit guten Geschäftsbeziehungen in Zentral- und Osteuropa die Vorzüge der Seehäfen in der nördliche Adria erkennt und daraus einen Nutzen ziehen will. Vor allem in den im Vergleich zu Bremerhaven, Hamburg, Antwerpen, Rotterdam und Piräus zumindest um 500 Kilometer kürzeren Bahnverbindungen nach Österreich, Ungarn, Slowenien und in gewisse Regionen von Tschechien sieht er Pluspunkte im Bereich der Transportabwicklungen und den damit verbundenen Kosten gegeben.
Mit der Piattaforma Logistics Trieste rüstet sich die Triester „Port Community“ für den erwarteten wachsenden Bedarf an Umschlag-, Lager- und Logistikdiensten für Güterströme mit Versand- und Zielstationen in Ostasien. Hierzu leistet auch die Parisi Group einen Beitrag. Ihr von Hongkong aus gemanagtes Joint Venture für Speditionsdienste in China (Parisi Grand Smooth Logistics) wächst stetig und stellt mittlerweile die Mehrzahl der weltweit rund 800 Mitarbeitenden, davon etwa 150 Beschäftigte in Triest. Die engen Geschäftsbeziehungen mit Österreich, wo das Triester Unternehmen zeitgleich mit der Eröffnung der Südbahnstrecke im Jahr 1857 die erste Auslandsniederlassung eröffnet hat, bestehen bis heute. Jedoch hat man sich in der Alpenrepublik aus dem klassischen Speditionsgeschäft zurückgezogen und vermietet hier stattdessen eine Logistikimmobilie am Stadtrand von Wien.
JOACHIM HORVATH