Brandlöscher für FTL-Lieferketten mit europaweitem Aktionsradius

Mit schnellen und effizienten Transportlösungen für Lkw-Komplettladungen ist die Hegelmann Group ein wichtiger Partner für internationale Logistikkonzerne und Großverlader geworden. Firmenchef Siegfried Hegelmann geht davon aus, dass es nach dem Ende der Coronavirus-Krise eine starke Unterdeckung am Markt gibt.

Brandlöscher für FTL-Lieferketten  mit europaweitem Aktionsradius Bild: Die Hegelmann Group hat als „Carrier“ eine stattliche Größe erreicht.

WIEN. Wohin steuert die europäische Transportlogistikbranche? Auf diese Frage weiß auch Siegfried Hegelmann keine schlüssige Antwort. Das Coronavirus zwingt Unternehmen aus zahlreichen Branchen zur Einstellung der Produktion. Dadurch gehen den Dienstleistern aus dem Kreis der Frachtführer und Speditionen viele Aufträge verloren. Gleichzeitig wächst die Nachfrage bei den Herstellern von Lebensmitteln, Getränken und diversen anderen Gebrauchsgütern. Doch die Einschnitte übersteigen die zusätzlich zu befördernden Mengen. Folglich müssen sich die im europäischen Lkw-Fernverkehr mit Fokussierung auf Komplettladungen tätigen Transporteure in den nächsten Wochen – wenn es ganz schlimm kommt Monaten – auf Mengen- und Umsatzrückgänge in der Größenordnung zwischen 10 und 30 Prozent einstellen.

Siegfried Hegelmann betrachtet das nüchtern. „Unsere Branche wird sich bereinigen. Manche Carrier werden aus der Krise nicht mehr zurückkommen“, wirft der Geschäftsführer der Hegelmann Group einen Blick in die Zukunft. Das Unternehmen mit Sitz in Bruchsal, etwa 20 Kilometer nördlich von Karlsruhe in Baden-Württemberg, verfügt über eine ausreichende Größe um die Belastungen durch die Coronakrise abfedern zu können, wenn auch nur zeitlich begrenzt. Die 7.300 Mitarbeitenden an 40 Standorten in 16 Ländern betreiben einen Fuhrpark bestehend aus über 4.000 ziehenden Einheiten mit Aufliegern in allen erdenklichen Ausführungen. Damit werden mehr als 10.000 Kunden aus einer Vielzahl von Branchen bedient. Wenn zwei, drei Industriezweige schwächeln, springen andere Sektoren in die Bresche.

Abgesehen vom breit gefächerten Fuhrpark operieren die Lkw-Züge der Hegelmann Group in ganz Europa. „Wenn es sein muss, könnten wir theoretisch bis nach China fahren. Derzeit reicht unser Einsatzgebiet von Portugal im Westen bis nach Kasachstan im Osten und von Russland im Norden bis nach Süditalien“, sagt Siegfried Hegelmann im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Bevor man die China-Karte zückt, gilt es noch einige durch COVID-19 verursachte Brände in Europa zu löschen. Es gibt eine steigende Zahl von Fällen, wo grenzüberschreitende Lieferketten zu reißen drohen und große Unternehmen rasch leistungsfähige Alternativen zu den bestehenden Transportdienstleistern suchen.

„Da kann es vorkommen, dass ein Großverlader Bedarf für 50 Lkw-Züge anmeldet, die innerhalb von 24 Stunden an den Ladestellen bereitstehen müssen. Dazu ist nur ein kleiner Kreis von Anbietern in der Lage. Wenn im Anschluss daran alles ganz schnell gehen muss, umso besser. Die Hegelmann Group positioniert sich am Markt als Spezialist für Expressverkehre. Diesem Ruf wird man auch durch die Bereitschaft gerecht, sich auf neue Dinge einzulassen von denen sich die Mitbewerber lieber fernhalten. Daraus und aus der Strategie des „learning by doing“ resultiert eine ungeheure Flexibilität, was viele Auftraggeber sowohl aus der Logistikbranche als auch aus dem Spektrum der Direktkunden schätzen.

Das steht momentan noch im Widerspruch zu den Konzepten im unbegleiteten Kombinierten Verkehr (UKV), mit dem man sich ständig beschäftige, wie Siegfried Hegelmann auf Anfrage bestätigt. Wer sich als Transportlogistiker die nahezu uneingeschränkte rasche Lieferfähigkeit auf die Fahnen schreibt, der benötigt leistungsfähige Systeme, gestützt auf ein hohes Maß der Digitalisierung. So kann man aus einem Fuhrpark das Maximum herausholen. Dafür reichen die UKV-Kapazitäten in Europa allerdings nicht aus“, befindet Siegfried Hegelmann. Dazu kommen die längeren Laufzeiten und der größere Aufwand bei den intermodalen Lösungen. Beides erschwert die Umsetzung von Transportkonzepten mit Fokussierung auf die Durchführung von Expressverkehren.

„Unser Unternehmen hat eine Seele“, erwähnt Siegfried Hegelmann mehrmals. Damit spricht er das multinationale Team an, das sich mit den Kunden in so ziemlich allen Sprachen verständigen kann. Nur mit seiner hohen Einsatzbereitschaft – auch in der derzeitigen Coronavirus-Phase – lässt sich das starke Wachstum erklären. Die Hegelmann Group wurde 1998 gegründet und hat mittlerweile die Größenordnung von über 600 Mio. Euro Jahresumsatz erreicht. Man sieht sich immer noch als „Newcomer“, der in den Kreis der Etablierten vorstoßen will. Nach Ansicht von erfahrenen Branchenbeobachtern ist das schon der Fall. Doch Siegfried Hegelmann sowie sein Cousin und Co-Geschäftsführer Anton Hegelmann wollen lieber noch die Umsatzmarke von 1 Mrd. Euro im Jahr überspringen, bevor sie davon sprechen. Wenn alles gutgeht, sollte das bis 2025 gelingen.

Allein mit organischem Wachstum lässt sich das schwer bewerkstelligen. Daher gibt es Überlegungen für die eine oder andere strategische Firmenakquisition. Ein Projekt in Norditalien steht kurz vor dem Abschluss und soll nach dem Ende der Coronavirus-Pandemie in Europa umgesetzt werden. Weitere Zukäufe erscheinen Siegfried Hegelmann dann interessant, wenn es sich dabei um gut eingeführte Unternehmen mit Nachfolgeproblemen handelt. Der Fokus richtet sich auf Kandidaten, die neben der Kompetenz im Bereich Transportlogistik mit Eigenfuhrparks auch in der Lagerlogistik tätig sind. Das ist für die Hegelmann Group noch ein neuer Zweig, der sich aktuell auf ein Warehouse mit rund 21.000 m² Hallenfläche in Kaunas (Litauen) für das Russland-Geschäft sowie drei kleinere Standorte in Deutschland und Frankreich stützt und sich vielversprechend entwickelt.

Man sei in dieses Marktsegment unbürokratisch, schnell und effizient eingestiegen, bemerkt Siegfried Hegelmann. Jetzt starte die Phase der konsequenten Weiterentwicklung, in der sein Team täglich neue Erfahrungen und Erkenntnisse sammelt. Die derzeit turbulente Phase mit dem bevorstehenden Bereinigungsprozess in der Branche bezeichnet der Unternehmer „als Bewährungsprobe für unser Change Management“. Das deckt sich mit seiner Erfahrung, wonach sich Unternehmen nur in neu entstehenden Nischen weiterentwickeln können. Um das auch in Zentraleuropa stärker zu praktizieren, hat die Hegelmann Group im Vorjahr eine Vertretung in Spittal an der Drau in Kärnten eröffnet.

JOACHIM HORVATH

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