MARIA LANZENDORF. Ein erfahrener Journalisten-Kollege sagte dem Berichterstatter einmal, wirklich gute Unternehmen erkenne man am Geräuschpegel in der Chefetage und am Umgang der Führungskräfte mit den Mitarbeitenden. Je ruhiger die Atmosphäre in den Büros der Geschäftsführung ist, umso besser. Wenn die Verantwortlichen ihren Kollegen aus den operativen Abteilungen dann auch noch mit der gebotenen Wertschätzung begegnen, dann bestehen ziemlich gute Chancen für einen Bericht über eine erfolgreiche Firmengruppe. Nimmt man diese Ratschläge als Gradmesser, dann läuft der Motor bei Gebrüder Weiss dem Anschein nach ziemlich rund.
Zumindest erweckt Mag. Wolfram Senger-Weiss nicht den Eindruck, als ob ihn derzeit große Sorgen belasten würden. Zwar verfolgt der seit 1. Jänner 2019 in der Funktion als Vorsitzender der Geschäftsleitung im Konzern Gebrüder Weiss tätige Unternehmer die Entwicklung der Weltwirtschaft sehr genau und äußert in diesem Zusammenhang seine leichte Besorgnis über gewisse Entwicklungsszenarien. So fährt die Konjunkturlokomotive Deutschland nicht mehr ganz so schnell wie in den letzten Jahren und sinkt die Performance der internationalen Automobilindustrie. Zudem sitzen in einigen Ländern Populisten am Ruder und wächst die Zahl der Handelshemmnisse. Und dann gibt es da noch bestimmte Unternehmen mit einer gewissen Logistik-Affinität, die den Weltmarkt mit ihrer schieren Größe und Kapitalausstattung dominieren wollen.
Wolfram Senger-Weiss könnte sich zu jedem einzelnen Themenfeld ausführlich äußern. Aber er ist ja nicht Kommentator in Rundfunk und Fernsehen, sondern Vorsitzender der Geschäftsleitung von einem der führenden Transport- und Logistikunternehmen im Wirtschaftsraum Zentral- und Osteuropa mit einer zusehends stärker werdenden Positionierung in den Regionen Kaukasus und Zentralasien, ergänzt um weltweite Verbindungen für Luft- und Seefrachten. Letztere stützen sich auf die im Jahr 2018 deutlich gestärkte Übersee-Organisation mit eigenen Standorten in den USA, Kanada, Singapur, Hongkong, China, Japan, Vietnam, Taiwan und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Mit dieser „Grundausstattung“ soll Gebrüder Weiss stärker wachsen als der Markt. In 2018 war das mit einer Steigerung des Umsatzes um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr der Fall. Auch für die laufende Geschäftsperiode ist Wolfram Senger-Weiss zuversichtlich. Er habe ein tolles Team, das ihn bei der Umsetzung seiner Pläne unterstütze, betont der Gebrüder Weiss-Chef im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Hinzu kommt die weltweit praktizierte Kombination aus physischen und digitalen Prozessen. Es gibt dazu ein klares Bekenntnis von Gebrüder Weiss zur Fortsetzung der Tätigkeiten unter eigener Regie in den Bereichen Transport, Lagerlogistik, Distribution (Stückgüter und Pakete für B2B/B2C). Auf jeden Fall ist Wolfram Senger-Weiss der festen Überzeugung, „dass noch lange ein Bedarf für unsere Kompetenz auf dem Gebiet der Organisation und Abwicklung von multimodalen Verkehren mit kundenspezifischen Zusatzfunktionen besteht“.
Alleine damit werde es aber nicht getan sein. Vielmehr müssten sich die erfolgreichen Unternehmen in der Transport- und Logistikbranche auch im Hinblick auf die Digitalisierung exzellent aufstellen, sagt der GW-Chef. Er sieht jene Unternehmen auf einem guten Weg, die das Prinzip „best of both worlds“ nachhaltig umsetzen. Diesbezüglich hält bei Gebrüder Weiss die Digitalisierung intensiv Einzug. Wolfram Senger-Weiss spricht in diesem Zusammenhang von der Etablierung von Instrumentarien zur Beherrschung von Prozessen und von Maßnahmen zur Schaffung von Mehrwerten für die Kunden. So liefern moderne Informations- und Kommunikationssysteme die Grundlage für mehr Transparenz in den Logistikketten.
Für Wolfram Senger-Weiss ist Gebrüder Weiss in der Transport- und Logistikbranche ein hoher Qualitätsanbieter mit klar definierten Grundwerten. Dazu zählen die seit über 500 Jahren währende Unabhängigkeit und das Bekenntnis zu langfristigen Geschäftsbeziehungen mit den Kunden und Lieferanten. „Wir sind ein kerngesundes Familienunternehmen und wollen das auch weiterhin bleiben“, sagt der neue CEO unmissverständlich. Die derzeitige Marktposition beschreibt er „als einen der größten und vielfältigsten Anbieter in der Region Zentral- und Osteuropa und als privat geführter Mittelständler im weltweiten Kontext“. Wichtig ist ihm, „dass wir uns auch in Zukunft besser als die Mitbewerber entwickeln“.
Daran arbeitet das Unternehmen sowohl in der Kernzone als auch in den etwas weiter entfernten Gebieten mit Hochdruck. Dabei richtet sich der Fokus auf die Regionen mit guten Entwicklungschancen für österreichische und zentraleuropäische Exporteure/Importeure. Zu diesem Zweck wurde im März die Erweiterung des Logistikstandortes in der georgischen Hauptstadt Tiflis feierlich eröffnet, wo Gebrüder Weiss in den letzten Jahren ein Hub für die Kaukasus-Region etabliert hat. Dem könnte ein ähnliches Vorgehen in den Stan-Staaten folgen, wo der österreichische Logistik-Leitbetrieb seit drei Jahren eine Niederlassung in Almaty (Kasachstan) unterhält und positive Erwartungen in die politische Öffnung von Usbekistan setzt. Auch hier hält Wolfram Senger-Weiss mittelfristig die Realisierung eines Standortes mit regionaler Drehscheibenfunktion für möglich, wenn es die Rahmenbedingungen zulassen.
JOACHIM HORVATH