Im Seehandel droht das nächste Krisenszenario

Forschungsinstitute warnen, dass die Pause beim Zollkonflikt USA-China auf ungelöste strukturelle Engpässe und unzureichende Vorbereitungen trifft.

Im Seehandel droht das nächste Krisenszenario Bild: Yang Ming

Vor zwei Wochen haben die USA und China überraschend eine deutliche Senkung der gegenseitigen Zölle verkündet. Eine aktuelle Studie des Complexity Science Hub (CSH), des Wiener Lieferketten-Forschungsinstituts (ASCII) und der Technischen Universität Delft in den Niederlanden zeigt, dass diese Pause den globalen Seehandel möglicherweise stärker destabilisieren könnte als die bisherigen Zollerhöhungen.

Die Untersuchung warnt vor einem sogenannten „Rebound-Effekt“, der zu einem erheblichen Anstieg des Containerverkehrs in US-Häfen führen könnte. Besonders betroffen wären die Häfen an der US-Westküste, wie Long Beach und Los Angeles, wo mit bis zu 19 zusätzlichen Schiffen pro Tag gerechnet wird.

Insgesamt könnte der Containerverkehr in den USA um fast ein Fünftel steigen, während andere Regionen wie Japan, Korea und die EU leichte Rückgänge verzeichneten. Dies würde die Kosten für den Seetransport insgesamt erhöhen.

Die Forscher sind der Meinung, dass die plötzlich ausgerufene Erholung auf ungelöste strukturelle Engpässe und unzureichende Vorbereitungen trifft. „Der plötzliche Anstieg des Handels zwischen den USA und China könnte die weltweiten Schifffahrtskosten in die Höhe treiben, da Kapazitäten verlagert wurden und Auftragsrückstände abgearbeitet werden müssen“, erklärt ASCII-Direktor Peter Klimek.

Bereits während der Pandemie mussten Schiffe teilweise mehr als 20 Tage vor der US-Westküste auf ihre Entladung warten. Diese Situation könnte sich nun wiederholen. Da etwa 90 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg abgewickelt werden, drohen weltweite Versorgungsengpässe und Preissteigerungen.

Der bisherige Handelskrieg hatte bereits erhebliche Auswirkungen, wie einen Rückgang des Handelsvolumens an US-Häfen um bis zu 60 Prozent und die Ausfallrate von etwa 10 Prozent aller Schiffsfahrten. Rund 6 Prozent der weltweiten Flotte, also etwa 500 Containerschiffe, waren direkt betroffen.

Die Studienautor:innen empfehlen daher koordinierte politische Maßnahmen sowie Investitionen in die Infrastruktur. Zudem sollten Unternehmen ihre Lieferketten widerstandsfähiger machen, etwa durch strategische Lagerhaltung und alternative Beschaffungsquellen, um zukünftige Störungen besser abfedern zu können.

https://ascii.ac.at

www.tudelft.nl/en

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