„Europäische Seidenstraße“ wäre Wirtschaftsmotor für Österreich

1.000 Mrd. Euro Investitionsumfang: Neue wiiw Studie prognostiziert 3,5 Prozent zusätzliches Wirtschaftswachstum in Europa

„Europäische Seidenstraße“ wäre Wirtschaftsmotor für Österreich

Chinas Belt-and-Road-Initiative (BRI), die „Neue Seidenstraße“, umfasst milliardenschwere Investitionen in Infrastruktur und andere Bereiche. China will damit einen neuen Wirtschaftsraum von Westchina bis Mitteleuropa schaffen. Das Projekt weckt große Erwartungen, auch in Europa, wenngleich der Kontinent auf diese große Infrastrukturinitiative Chinas bisher eher passiv reagiert hat.

Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) beschäftigt sich in einer neuen Studie damit, wo und wie eine „Europäische Seidenstraße“ verlaufen und welche Potenziale sich daraus ergeben können. Mario Holzner, leitender Studienautor und stellvertretender Leiter des wiiw, kommt zum Ergebnis: „Die Zurückhaltung Europas ist aus unserer Sicht nicht nachzuvollziehen. Insbesondere im Osten des Kontinents gibt es bedeutende Infrastrukturlücken zu füllen und Einkommensunterschiede auszugleichen. Wir sehen daher enorme Potenziale, die sich für verschiedenste Bereiche in Europa ergeben.“

Aus den ökonomischen Berechnungen lässt sich ableiten, dass eine „Europäische Seidenstraße“, die den bevölkerungsreichen, aber schwächer entwickelten Osten mit den industriellen Zentren im Westen Europas verbindet, sowohl kurz- als auch mittel- und langfristig für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen würde. Daher plädiert das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche in seiner Studie für einen „Big Push“ bei den Infrastrukturinvestitionen in Europa und schlägt den Bau einer „Europäischen Seidenstraße“ vor.

Im Osten Europas leben rund 480 Mio. Menschen und damit beinahe so viele Einwohner wie in der EU selbst (510 Mio. Einwohner). Sie verfügen allerdings über nur ein rund halb so hohes Einkommen wie das durchschnittliche Einkommen innerhalb der Europäischen Union. Daraus ergeben sich enorme Marktpotenziale: So identifiziert die Studie „Europas Seidenstraße“ ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3,5 Prozent über einen Investitionszeitraum von 10 Jahren. Zeitgleich kann eine „Europäische Seidenstraße“ zu einem Anstieg der Beschäftigung von 2 bis 7 Mio. Stellen führen – unter günstigen Umständen und bei weiterhin anhaltenden niedrigen Zinsen.

Neben positiven Beschäftigungseffekten bewirkt ein solcher Ausbau der Verkehrswege bedeutende Zeitersparnisse. Durch eine verbesserte Infrastruktur und Anbindung zum russischen Zentralraum können über 8 Prozent der Transportzeit im Straßenverkehr eingespart werden, was einer Fahrzeitreduktion von rund 2,5 Stunden entspricht. Mario Holzner dazu: „Länder entlang einer Route, die durch den Norden Europas führt, könnten ihre Exporte nach Russland um mehr als 11 Prozent steigern. Das wären zusätzliche Exporte von über 12,5 Mrd. Euro.“ 

Westeuropa und speziell Österreich würden ganz besonders von diesen Infrastrukturmaßnahmen profitieren und könnten ihre Märkte in der östlichen Nachbarschaft erweitern. Laut Berechnungen des wiiw würden Österreichs Russland-Exporte um über 14 Prozent ansteigen, das entspricht einem Zuwachs von rund 330 Mio. Euro. Allein durch die Bautätigkeit würden 34.000 bis zu 121.000 neue Arbeitsplätze in Österreich geschaffen.

Die Kosten für den Vollausbau des Infrastrukturnetzes werden vom wiiw mit rund 1.000 Mrd. Euro oder rund 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der entlang den beiden Routen liegenden Länder veranschlagt. Das sind Kosten in der Höhe von 7 Prozent relativ zur Wirtschaftsleistung der EU. Neben wirtschaftlichen Potenzialen innerhalb Europas könnte eine „Europäische Seidenstraße“ auch die zukünftigen Zugangspunkte nach Ostasien definieren und somit auch an die „Neue Seidenstraße“ Chinas sinnvoll anschließen.

Zwei mögliche Hauptrouten einer „Europäischen Seidenstraße“ wurden vom wiiw identifiziert, die die Zentren der westeuropäischen Industrie mit der östlichen Nachbarschaft im größeren Europa verbinden und zusammen eine Strecke von 11.000 Kilometern umfassen.

Die Nordroute einer „Europäischen Seidenstraße“ verläuft von Lissabon bis Uralsk an der russisch-kasachischen Grenze. Kernstücke sind im Norden die Strecke vom französischen Industriezentrum Lyon über den Duisburger Hafen, eines der wichtigsten Logistikzentren im Nordwesten, bis Moskau. Im Südwesten führen Erweiterungen dieser Route von Lyon über Barcelona bis nach Madrid und Lissabon und im Osten von Moskau über Nischni Nowgorod und Samara bis in den russisch-kasachischen Grenzort Uralsk.

Die Südroute einer „Europäischen Seidenstraße“ hat ihren Anfangspunkt in der Region um Mailand, dem größten italienischen Ballungsraum und wirtschaftlichen Zentrum des Landes. Von dort verläuft ihre Kernstrecke über Zürich und den industriell hochentwickelten süddeutschen Raum entlang des Donautales über Wien und Budapest nach Bukarest und bis zum Hafen von Constanza am Schwarzen Meer. Über den Seeweg kann sowohl der russische Hafen von Noworossijsk und weiter nach Wolgograd angesteuert, aber auch der georgische Hafen Poti und Tiflis bis nach Baku am Kaspischen Meer erreicht werden.

www.wiiw.ac.at

 

 

 

Werbung